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Aus neutraler Sicht von Albert Jörimann "Finanzmarktärger"

[15.Kalenderwoche]
Nun ist Barack Obama auch in Europa aufgegangen, und er hat allfällig verbliebene messianische Hoffnungen an breiter Front enttäuscht – gut so.



Wenn der US-amerikanische Präsident auch nur halbwegs ein Präsident vieler Amerikanerinnen sein will, dann muss er sich den Messias abschminken, da hängt allzu viel dran an diesem Staat, als dass man sich ungestraft eine Revolution, eine radikale Reform oder auch nur eine gründliche Modernisierung leisten könnte. Das ist ja auch nicht Funktion oder Verdienst von Präsident Obama; die Welt ist froh, dass da wieder ein Präsident im Amt ist, der sein Amt als Beruf und Arbeit begreift und nicht als biblische Sendung. Und ungebrochen gilt die Verehrung dem ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, der sich jetzt offenbar auf seiner Nahosttournee auch noch seines mittleren Namens Hussein besinnt, das wird vor allem im Irak auf große Begeisterung stoßen. Ach Quatsch, Hussein ist im arabisch/moslemischen Raum so geläufig wie bei uns Müller und Meier, das hat weiter nichts zu bedeuten außer einem sehr weit gehenden Verweis auf die internationale Dimension der Weltpolitik und der Verstrickungen der einzelnen Nationen im globalen Spiel, bis hin eben zum US-amerikanischen Präsidenten. Im Vergleich dazu wird es wohl noch eine ganze Weile dauern, bis in Deutschland zum Beispiel eine Frau Larissa Iwanowa Bundeskanzlerin wird, wenn ich mich nicht irre. Oder ein Kemal Platttürk.

Jedenfalls hat Barack Obama die Früchte alle gepflückt, die ihm die Europäer an die Bäume gehängt haben, und das wäre somit ebenfalls erledigt; bleibt noch eine Anmerkung zum Auftakt, zum G20-Gipfel in London, wo mir ausnahmsweise ein Quantum Wut hoch gekrochen ist, und zwar nicht wegen des Gipfels selber, sondern wegen der Tatsache, dass sich rund um die Bemühungen zur Behebung der Finanzkrise schon wieder die ersten Finanzparasiten zu regen beginnen, und das ist wirklich ärgerlich. Erstens könnte es einem auf den Keks gehen, dass es wirklich eine derart wunderbare Krise der Finanzmärkte bzw. des gesamten Finanzkapitals brauchte, um einige elementare Regeln im Verhältnis der internationalen Staatengemeinschaft untereinander endlich festzuschreiben. Einfache Menschen haben in den letzten Jahrzehnten nur noch mit offenen Mündern dagestanden und gestaunt über die Innovationskraft der Finanzjongleure, über kuriose Typen, die innerhalb von wenigen Jahren oder gar Monaten Vermögen in Millionenhöhe scheffelten, vor allem aber über die Ideologie, die in diesem Zusammenhang die gesamte entwickelte Welt überzog und wahrscheinlich die unterentwickelte Welt gleichermaßen. Bis vor zwei Jahren galt doch der erfolgreiche Finanzakrobat als die Vollendung des freiheitlich-demokratischen Kapitalismus. Alles, was diese Erfolgsgeschichten entfernt zu behindern drohte, geriet umgehend in Verruf, also insbesondere der Staat als solcher und dabei vor allem alles, was nicht in der einen oder anderen Form Rendite für den Privatsektor versprach, also ganz prominent der Sozialhaushalt. Nachhaltig pikant an der ganzen Angelegenheit ist die Tatsache, dass in Großbritannien und in Deutschland diese Sorte von Aufschwung Hand in Hand ging mit der neuen Sozialdemokratie von Tony Blair und Gerhard Schröder. Von diesen beiden Herren bzw. den ihnen zugeordneten politischen Strömungen sind mir keine Ansätze zur Regulierung der Finanzmärkte bekannt. Aber vermutlich konnte man das wahre Ausmaß des kommenden Desasters damals auch nicht erahnen. Jetzt aber, da es in voller Wucht ausgebrochen ist, sind die entsprechenden Schlaumeier bereits wieder daran, ihre Karten neu zu ordnen, die man ihnen eben durchaus noch nicht aus der Hand geschlagen hat. Die Mentalität in all den Brut- und Zuchtstätten des Finanzmanager-Nachwuchses hat sich in keiner Art und Weise verändert. Im Gegenteil: Die Jungs wittern jetzt, da das Leben an den Börsen wieder seinen normalen Gang zu nehmen beginnt, Morgenluft. Ein Aufschwung zeichnet sich ab. Die Computer laufen heiß, ich mache jede Wette, und sind weltweit an sämtlichen Finanzhochschulen und in allen Banken bereits am Austüfteln neuer Finanzalgorithmen. Ich bin absolut überzeugt, dass schon jetzt eine ganze Legion an neuen Finanzprodukten in den Schuhschachteln steckt und nur noch auf den richtigen Moment wartet, auf die internationale Anleger-Community losgelassen zu werden. Gleichzeitig wird das Murren immer lauter über die verdammten staatlichen Wachhunde, welche die Spitzensaläre der verdienstvollen Finanzberater einfach so nach oben begrenzen wollen auf unchristliche Hungerlöhne von maximal 500'000 Euro pro Jahr; so viel ist meines Wissens die Obergrenze in Deutschland bei Banken, wo der Staat Zuschüsse leistet. Dabei könnte es einem ja egal sein, was diese Idioten so für sich zusammen wurschteln, schliesslich ist die Welt ja frei, aber was wirklich unappetitlich ist dabei, ist der Umstand, dass wohl kaum ein anderer Berufsstand einen derart direkten Draht in sämtliche Staatsstellen auf der entwickelten Land hat wie die Finanzindustrie. Logo – denn hier schmiert sich’s am besten, egal ob direkt in Bargeld oder mit der Finanzierung von Projekten, welche den Damen und Herren Parlamentariern bzw. ihren Kollegen in den jeweiligen Ministerien dann zu Pfründen und Wählerstimmen verhelfen. All diese Vögel sind aus dem ganzen weltweiten Finanzapparat überhaupt nicht entfernt werden; im Gegenteil fungieren sie bereits wieder als High Ranking Experten und geben Ratschläge, wie das System zu reparieren sei.

Nun achte ich aber darauf, dass sich mein Ärger in Grenzen hält. Ich sehe den Kollaps des Finanzkapitalismus eigentlich nicht als zwingende Folge des Kapitalismus als ganzes an, sondern vielmehr für eine Fehlentwicklung bei der Schaffung eines wirklichen globalen Geld-, Kapital- und Wirtschaftsmarktes, deren Korrektur durchaus zu einer Stabilisierung bzw. zu einem Auf- und Ausbau auf soliden Fundamenten führen kann. Eines dieser Fundamente ist aber zwangsläufig die Zerschlagung der Instrumente von Privatpersonen und Privatbanken zur Geldschöpfung in eigener Regie. Ein anderes, mindestens ebenso wichtiges ist jenes, dass die gesellschaftlichen Prioritäten neu gesetzt werden müssen in einem Prozess, den ich leider Gottes weder genau skizzieren noch irgendjemandem vorgeben kann. Hier ist im Kern Ideologie-Arbeit zu leisten. Einerseits muss zur Selbstverständlichkeit werden, dass alle Mitglieder der Gesellschaft ein Recht haben auf eine materiell abgesicherte Existenz – über diese Frage soll in Zukunft niemand mehr ein Wort verlieren müssen. Es versteht sich von selber, dass ich damit in erster Linie ein bedingungsloses Grundeinkommen meine, für Deutschland konkret eine Garantiezahlung von 1000 bis 1500 Euro pro Person und Monat. Da hieraus nicht neue Aufgaben, sondern neue Funktionen für den Staat entstehen, muss im gleichen Atemzug die Debatte um den Staat neu bzw. überhaupt wieder einmal geführt werden. Hier liegen im Moment mehrere Konflikte verschüttet, die man offen ausgraben sollte. Am Beispiel des Grundeinkommens lässt sich ein solcher Konflikt relativ gut aufzeigen: Irgendeine Grundeinkommenskasse muss ein solches Grundeinkommen verwalten, d.h. die Beiträge einziehen und die Zahlungen entrichten; niemals aber sollte mit einem Grundeinkommen ein Begriff verbunden werden wie die «Daseinsfürsorge», wie sie in den Diskussionen regelmäßig auftaucht. Der Staat hat absolut nicht für das Dasein der EinwohnerInnen zu sorgen, in keiner Art und Weise. Das ist deren ureigene Aufgabe. Der Staat in der Form des 20. oder sogar des 19. Jahrhunderts gehört abgeschafft. In erster Linie gilt dies für den Beamtenstatus, der einer modernen Gesellschaft schlicht und einfach unwürdig ist. Ganz grundsätzlich aber geht es darum, die staatliche Organisation so effizient wie möglich den aktuellen und künftigen Bedürfnissen des Postkapitalismus anzupassen. Ich gehe hier mal davon aus, dass die Aufteilung in Legislative, Exekutive und Gerichtsbarkeit weiterhin Bestand haben wird; aber die unterdessen antiquierten und furchtbaren Erblasten zum Beispiel im Agrarsektor müssen endlich beseitigt werden. Und in erster Linie gehört das ganze in vernünftiger Art und Weise eingebettet in den gesamteuropäischen Prozess, damit auch dieser endlich einmal ein paar vernünftige Fortschritte produzieren kann anstatt ganzer Bibliotheken von Anpassungs- und Ausführungsvorschriften für rund 30 unterschiedliche nationale Verhältnisse. Ich gehe eigentlich davon aus, dass vor allem die modernen Kommunikationstechniken die uralte Forderung nach einem effizienten und bürgerinnennahen Staat recht einfach erlauben würden; aber es ist hier wohl wie mit dem gesamten Finanzsektor, dass nämlich die Pfründen und Privilegien großer bis kleiner und kleinster Gruppen im Parlament und im Verwaltungsapparat recht solide vertreten sind, sodass man auch hier eine institutionelle Krise abwarten müsste, ähnlich wie die Finanzkrise des letzten Jahres...

Aber nein – in dieser Beziehung sind wir bedeutend besser im Bild als bei den Verwerfungen auf den Finanzmärkten. Die Bevölkerung kann ihren Staat so einrichten, wie sie will. Voraussetzung dafür ist, neben der Organisation der notwendigen Machtmittel bzw. Mehrheitsverhältnisse, dass man einige brauchbare Vorstellungen davon hat, wie ein moderner Staat eben auszusehen hat, welche Funktionen er zu erfüllen hat, welche Institutionen notwendig sind bzw. welche nicht. Da kommen allerdings Grundsatzfragen ins Spiel. Nehmen wir bloß das Beispiel des Innenministers. Der fragt sich doch auch dauernd, ob die Bürgerinnen und Bürger die Gesetze so weit verinnerlicht haben, dass sie eigentlich überflüssig werden. Gewisse Soziologen behaupten, dass genau dies Zivilisation bedeute. Euer Innenminister beantwortet diese Frage offensichtlich negativ. Davon hängt allerdings die konkrete Form des Staates in gewaltigem Ausmaß ab. Braucht man ein Heer von Spitzeln und Beamten, welches das Heer der tendenziell staatsfeindlichen EinwohnerInnen kontrolliert? – Selbstverständlich immer unter dem Vorwand des islamistischen Terrors und weiterer Menschheitsgefahren. Nö, so etwas möchte man lieber nicht. Anderseits wäre es im Moment wohl doch etwas frivol, den gänzlichen Verzicht auf sämtliche Überwachungsaktivitäten zu fordern. So eine moderne Gesellschaft ist nun mal nicht homogen, und deshalb müssen auch Maßnahmen Bestand haben, die man in einer paradiesischen Gesellschaft mit grimmigem Stirnrunzeln ablehnen würde. Allerdings müssen sie dann auch entsprechend dosiert werden, sonst haben wir einen allgemeinen Fall Mehdorn. Und so weiter, und so fort.

Wie gesagt: Ich kann das hier nicht im Detail umreißen. Aber diese Diskussion muss geführt werden. Die Entwicklung schreitet nämlich so oder so voran. Die Alternative heißt dann einfach, dass die Bevölkerung unter die Räder der Moderne und insonderheit des modernen Staats gerät, statt dass sie ihn selber in die Hand nimmt, ihn auch als eigenes republikanisches Instrument begreift und ganz im Einklang mit den alten Werten in Abstimmung mit den anderen Völkern dieser Erde so gut einrichtet, wie es eben geht.






Albert Jörimann


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Albert Jörimann
07.04.2009

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