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"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Internationaler Tag der Arbeiterklasse

Was ist schon sicher auf dieser Welt und in diesem Leben! Der Tod, sonst nix, nicht einmal eine Lohnerhöhung ist garantiert, obwohl die Gewerkschaft Ver.di die Tarifverhandlungen mit geschwellter Brust abgeschlossen hat und eine generelle Anhebung der Saläre um 7.5% meldet, naja, verteilt über 3 Jahre, aber immerhin.



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Unsicher ist auch der Ausgang der Streikbewegung in Frankreich, vor allem bei den Eisenbahnen, welche schon wieder zum Symbol für das Scheitern oder das Gelingen der Reformpolitik von Emanuel Macron hochstilisiert wird. Scheitert Macron, ist das gut für das Gewerkschaftssystem in Frankreich, müssen die Gewerkschaften einlenken, bedeutet das für sie einen zweiten Rückschlag nach den ersten Reformen des Arbeitsrechts.

Man ist sich generell einig darin, dass die Gewerkschaften sowohl in Frankreich als auch zum Beispiel in Italien eine Mitschuld daran tragen, dass verschiedene Elemente in der Arbeitswelt nicht an die neuen Verhältnisse angepasst worden sind, dass sie recht oft eher Privilegien einzelner Gruppen verteidigen als das Wohl, nicht einmal des gesamten Landes, aber doch der Arbeiter­klasse im Lande, dass sie unterdessen zu extrem konservativen Organisationen geworden sind. Bei ihrer Gründung vor hundertfünfzig Jahren war das noch anders, da traten sie als die Vertretung der neuen, aufkommenden Klasse des Proletariats auf, dem die Zukunft gehörte. Heute sind sie vor allem im Besitz der Vergangenheit, und das ist nicht besonders attraktiv. Trotzdem spielen sie nach wie vor eine wichtige Rolle, wenn auch nicht mehr gegen das System, sondern innerhalb des Systems, indem sie gut legitimierte Ansprechpartner der Arbeitgeberverbände sind und so für eine gewisse Ordnung sorgen im Haus. Das dient nicht nur den einzelnen Angestellten, die manchmal in Kleinbetrieben beschäftigt sind und dort kaum individuell ihre Rechte durchsetzen könnten ohne die verbindlichen Regelungen auf Sektorebene, es dient auch den Unternehmen, indem diese untereinander ihrerseits gewisse Grundregeln im Beschäftigungsbereich aufstellen, auf denen sie ihre Kalkulationen und Strategien aufbauen können, soweit die Produktionsabgelte betroffen sind.

Und was die Modernisierung der Verhältnisse angeht, so kann man sich auch auf die Seite jener Kommentatorinnen schlagen, welche weniger die Gewerkschaften, als vielmehr die Einführung des Euro als den entscheidenden wirtschaftlichen Schlag gegen die europäischen Euro-Mitgliedsländer betrachten, mit Ausnahme Deutschlands. Es kommt dabei gar nicht drauf an, ob Deutschland vor zwanzig Jahren die D-Mark zu einem Dumpingkurs in den Euro umgetauscht hat oder nicht, zentral war auf jeden Fall, dass die anderen Euro-Mitgliedsländer keine eigenständige Währungspolitik mehr fahren konnten, mit denen sie die Problemen ihrer Wirtschaftspolitik bisher ausgebügelt hatten. Der Nutzen der Euro-Einführung für die deutsche Wirtschaft im Vergleich zu jener aus den Euro-Partnerländern ist wirklich spektakulär. Da spielen die Gewerkschaften tatsächlich keine besonders grosse Rolle.

Wie auch immer: Am heranrollenden ersten Mai, dem Feiertag der internationalen Arbeiter­be­we­gung, tritt wie immer die ideologische Komponente der Arbeiterbewegung in den Vordergrund. Die Rhetorik wird sich nicht gross unterscheiden von jener der Vorjahre, und die Verweise auf die Ursprünge der Gewerkschaften und auf ihre nach wie vor wichtige Bedeutung für die Menschen, die sonst keine Lobby und die auch keine weiteren Geldmittel besitzen, werden vom Nord- bis zum Südpol identisch erklingen. Und auch wenn das praktisch alles folgenlose Lippenbekenntnisse sind, so haben sie doch nach wie vor einen gewissen Stellenwert. Sie verweisen eben darauf, dass die Arbeiterbewegung eine internationale Bewegung ist, und zwar aus der Erkenntnis heraus, dass das System der Lohnarbeit eben keine nationale Eigenheit ist, auch wenn nationale Gesetzgebungen hier durchaus spezifische Ausprägungen herausbilden, aber im Prinzip sind die Arbeitnehmenden in allen Ländern nach wie vor identisch in dem Punkt, dass sie ihre Arbeit verkaufen müssen, weil sie sonst nichts haben. Dies gilt für Polen ebenso wie für Ungarn oder Marokko oder England, einfach für jene Gegenden, in denen sich überhaupt eine industrielle Produktion mit der entsprechenden Klasse der Produzenten herausgebildet hat. Der erste Mai ist ein internationaler Festtag, und es ist vollständig in Ordnung, dass dann auch immer wieder das ursprüngliche Kampflied der Arbeiterklasse, nämlich die Internationale gesungen wird.
In der Internationalität liegt auch schon ein zweiter Aspekt, nämlich die Gleichheit aller Menschen, nicht nur vor dem Kapital, sondern ganz allgemein. Die Menschen haben unabhängig von ihrer Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht und so weiter alle die gleichen Rechte, begonnen mit dem Streben nach Glück, wie es in der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung gefordert wurde, bis zu anständigen Lebensbedingungen, einem angemessenen Anteil am gesellschaftlichen Reich­tum oder einer anständigen Ausbildung. In diesem Sinne ist nicht nur der erste Mai, sondern ist auch die internationale Arbeiterbewegung und sind die linken Parteien, von der Sozialdemokratie über die Sozialisten bis zu den Kommunisten, immer links und fortschrittlich.

Über die anderen Themen kann man sich dann am 2. Mai wieder streiten, namentlich über Begriff und Praxis von Modernisierung. Es ist völlig offensichtlich, dass neue Verfahren, Werkstoffe, die Digitalisierung und was alles dazu gehört die Welt, in welcher wir leben, vollkommen verändert haben. Kein Stein der Gesellschaft aus den 1980-er Jahren steht noch auf dem anderen, alles ist vollständig neu, und im Neuen ist dann halt auch wieder nichts sicher, wie schon immer. Wir wissen immerhin, dass der Reichtum der Gesamtgesellschaft unendlich zugenommen hat, und damit meine ich nicht den Kapitalbesitz, sondern die Güter und Dienstleistungen des täglichen Lebens. Grundsätzlich haben alle Zugang zu sämtlichen Dingen, die sie brauchen, und wo dies nicht der Fall ist, handelt es sich um eine skandalöse Störung der öffentlichen Ordnung, will sagen um eine absolut unnötige Fehlfunktion. Kaufkraft wird regelmässig in die Gesellschaft eingespiesen über die Lohnzahlungen, über die Sozialversicherungen und zunehmend über Einkommen aus Kapital auch für mittlere Gesellschaftsklassen. Damit entfallen die verbalradikalen Forderungen, die am ersten Mai oft aus den alten Zeiten nachhallen, weitgehend. An ihre Stelle müssten eigentlich die anderen Forderungen treten, nämlich jene nach der politischen Macht, nach einer echten Beteiligung der arbeitenden Massen oder überhaupt nach der effektiven Machtergreifung des Volkes. Aber das steht nicht auf der Tagesordnung.

Nun, über diese Themen lasse ich mich nicht nur am ersten oder zweiten Mai aus, sondern auch in den anderen Wonnemonaten des Jahres. Deshalb hier zwischendurch mal eine andere Meldung: Laut der Weltbank hat in verschiedenen Ländern Afrikas die Anzahl der Menschen, die über ein Bankkonto im Verbund mit ihrem Mobiltelefon verfügen, in den letzten Jahren massiv zugenommen, im Togo zum Beispiel von 18% im Jahr 2014 auf 45%, in Benin von 17% auf 38% und in Burkina Faso von 14% auf 43%. Die Damen und Herren benutzen ihr Smartphone also nicht nur zum Empfang von Erfolgsmeldungen ihrer nach Europa ausgewanderten Verwandten, sondern hier hat sich ein echter, funktionierender Zahlungsverkehr etabliert, was ich für eine ausserordent­lich wichtige Voraussetzung für die Einrichtung breiter wirtschaftlicher Abläufe halte; die Menschen brauchen dann nämlich kein Bargeld mehr zu horten, sie können nicht mehr überfallen werden, wenn sie auf der Bank oder an einem Geldautomaten etwas abheben, hier wird eine Schwachstelle im Geldverkehr mit minimalen Mitteln effizient behoben. Nicht zuletzt, geschätzte Hörerinnen und Hörer, ist so etwas elementar für eine etwaige Einführung eines bescheidenen Grundeinkommens in solchen Ländern; in Kenya soll ja bekanntlich ein breites Experiment mit 30'000 Teilnehmenden durchgeführt werden oder ist bereits angelaufen, und gerade im ländlichen Raum wird die Auszahlung mit dem Mittel des Mobiltelefons unglaublich vereinfacht.

Dafür bricht Finnland sein Grundeinkommens-Experiment vorzeitig ab. Die Gründe sind noch nicht bekannt; man weiss nur, dass in der zweiten Phase das Experiment eigentlich hätte ausgedehnt werden sollen von den bisherigen 2000 Bezügerinnen von Arbeitslosengeld auf weitere Personen, die bereits über ein eigenes Einkommen verfügen. Das findet nun nicht statt. Die OECD hat kürzlich in einem Bericht vor der Ausdehnung des Pilotprojekts in Finnland auf das ganze Land gewarnt, und zwar aus dem einfachen Grund, weil deutlich mehr Mittel hätten zur Verfügung gestellt werden müssen, damit sich die Situation der ärmeren Menschen nicht objektiv verschlechtert. Das Pilotprojekt war so angelegt, dass keine Zusatzkosten entstehen sollten, und dies wurde auch immer wieder kritisiert. Trotzdem wartet man jetzt gespannt auf ein paar Ergebnisse aus diesem neuesten Feldversuch, vor allem im Bereich der Arbeitsmotivation, denn hier liegt tatsächlich einer der wichtigsten Bereiche, wo sich die Geister zwischen Befürworterinnen und Gegnerinnen des Grundeinkommens scheiden.

Und dann noch eine Meldung aus der Welt des Automobils: Michaella Rugwizangoga übernimmt die Leitung von Volkswagen Mobility Solutions Rwanda. Die Aktivitäten sollen Mitte Jahr aufgenommen werden, wobei im Vordergrund eine App für Mobiltelefone steht, über welche sämtliche Dienstleistungen gebucht werden können bis hin zur Bezahlung. Welche Bedeutung der Markt Rwanda hat, kann ich nicht beurteilen; aber Frau Rugwizangoga hat neben ihrem Chemiestudium in Deutschland auch schon verschiedene Auszeichnungen als Literatin und Dichterin erhalten. Sie schreibt und performt auf Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch und Kinyarwanda. Das finde ich ulkig, sodass ich für heute darauf verzichte, neue Neuigkeiten von einer anderen wichtigen Person der Zeitgeschichte, nämlich Hayden Pannetiere, vorzutragen.







Hier findest du alle Kolumnen von Albert Jörimann von 2007 bis heute.

Albert Jörimann
23.04.2018

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