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"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann -

"Der Antisemitismus beruht auf der Annahme, dass die Welt ohne Juden eine bessere wäre. Diese Vorstellung wird heute auf Israel übertragen, den weltpolitischen Paria. Sie bestimmt das Denken vieler Menschen in Europa, darunter viele Journalisten. Das könnte erklären, warum die politischen Überzeugungen einiger Mitarbeiter der Deutschen Welle so lange niemandem aufgefallen sind: Sie fielen auf den fruchtbaren Boden einer in Jahrzehnten internalisierten Israelkritik, die sich längst als die zeitgenössische Maskerade des Antisemitismus entpuppt hat"...

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...schreibt Frank Lübberding in der Neuen Zürcher Zeitung vom 27. Dezember 2021, und zwar in einem Artikel über offen antisemitische Beiträge und eine antiisraelische Grundtendenz in der Berichterstattung der Deutschen Welle, die es im Gegensatz zum objektiven und neutralen Schweizer Radio International immer noch gibt. Die Vorwürfe von Lübberding sind einerseits nicht neu; sie werden gegen einen großen Teil der BDS-Bewegung erhoben, also gegen jene Gruppen, welche den Boykott, den Abzug von Investitionen und die Verhängung von Sanktionen gegenüber Israel fordern. Aber gegenüber dem offiziellen internationalen Medium des deutschen Staates und insofern, wenn es so etwas gäbe, des Teutschen Pholkes erscheinen sie fast unmöglich, denn Deutschland bleibt angeklagt nicht nur der Verur­sachung der zwei bisher bekannten Weltkriege, sondern im Verbund mit dem zweiten auch des größten bekannten Versuchs der Ausrottung der Jüdinnen und Juden auf seinem Territorium und weltweit. 50 Millionen Todesopfer weltweit forderte der Zweite Weltkrieg, 6 Millionen jüdische Todesopfer forderte der Antisemitismus in den von den Nazis annektierten Ländern, inklusive Deutschland selber, wobei die Annexion Deutschlands durch die Nazis durch eine breite Mehrheit der deutschen Bevölkerung stattfand, nur damit dies klar ist und nicht etwa der Eindruck entsteht, ich würde den Nationalsozialismus als etwas dem Teutschen Pholkskörper Wesensfremdes ansehen, von welchem es vor hundert Jahren ähnlich infiziert wurde wie heute mit Corona, nur dass es damals noch keine Impfstoffe dagegen gab.

Gibt es heute Impfstoffe gegen antisemitische und nationalsozialistische Strömungen? Mir ist nichts bekannt; die einzige Waffe dagegen ist die gleiche wie vor hundert Jahren, nämlich Logik, Wis­sen­schaft und insgesamt die Vernunft, um nicht zu sagen: die Wahrheit.

Es erscheint also praktisch unmöglich, dass der offizielle Informationskanal der Bundesrepublik Deutschland in Antisemitismus macht; trotzdem sind nicht nur verschiedene antisemitische Beiträge nachgewiesen, natürlich vor allem von Korrespondentinnen aus dem Nahen Osten und aus den arabischen Ländern, sondern sie wurden von der Redaktion gedeckt oder mindestens toleriert. Dabei ging es unter anderem um Beiträge des libanesischen Hisbollah-Propagandasenders Al Jadeed TV, mit dem die Deutsche Welle zusammengearbeitet hat. Die Süddeutsche Zeitung hat die Vorwürfe im November publiziert. Die Deutsche Welle hat eine Untersuchung eingeleitet.

Eines ist sicher: Der Staat Israel macht einem eine israelfreundliche Berichterstattung unmöglich. Es sind zu viele Problemtöpfe gleichzeitig am Dampfen, als dass man das mit einem Kopfnicken absegnen könnte; die jüngste Nachricht ist jene von der geplanten Verdoppelung der Anzahl Siedlerinnen/Besetzerinnen auf den Golan-Höhen, die nominell nach wie vor zu Syrien gehören, abgesehen von der anhaltenden Landnahme im Westjordanland, die wir längst nicht mehr im Einzelfall belegen müssen oder können, sondern einfach unterstellen. Der Gaza-Streifen wird oft thematisiert, wobei hier unterdessen wohl Konsens herrscht darüber, dass die Hamas mehr zur Krise in diesem kleinen Gebiet beiträgt als Israel; und vom Gaza-Streifen aus kann das Verhältnis der Nachbarn in Jordanien und im Libanon vielleicht am besten beleuchtet werden. Wenn die angrenzenden und direkt betroffenen Nachbarinnen die Gnade hätten, den Staat Israel und seine Grenzen endlich mal vorbehaltlos anzuerkennen und im Gegenzug dafür Zugang zu den modernen Errungenschaften in Wirtschaft, Technik und vor allem im institutionellen Bereich erhalten täten, dann wäre ein Ausweg aus der ausweglosen Situation gefunden, und unter solchen Bedingungen wäre ich, gesetzt der Fall, ich wäre Chefunterhändler für die arabische Seite, auch bereit, das Westjordanland an den Staat Israel ganz und gar abzutreten. Das wäre mal eine feine Nachricht; und wenn ich verfolge, welche Entwicklungen sich in den Beziehungen zwischen Israel und den Geldgeberstaaten seiner Feinde ereignet haben, dann schöpfe ich einen leisen Optimismus, auch wenn es sich bei diesen Geldgeberstaaten nach wie vor um den Hort der tiefsten zeitgenössischen Rückschrittlichkeit handelt, in welchem der König und Mogul Mohammed bin Salman nicht nur seine Gegner, sondern sogar halbwegs kritische Journalisten im Ausland umbringen und zerstückeln lässt und in welchem es schon einen Fortschritt darstellt, dass die Frauen ans Steuer eines Automobils gelassen werden.

Auch diese Fassade täuscht, ich weiß auch das; mir sind Fälle zu Ohren gekommen von Frauen, die an der Universität Riad studiert haben, lange bevor das erwähnte Fahrverbot abgeschafft wurde. Die Realität ist in aller Regel komplexer als ein intelligenter Spruch in einer zehnminütigen Radiosendung. Und was Israel angeht, so ist sie unterdessen, vielmehr ist sie schon so lange schon so komplex, dass sie schon wieder einfach wird. Neben den selbstverständlichen Existenzgarantien für den Staat Israel muss man die vollkommene Entwaffnung seiner Feinde fordern und zusätzlich wie erwähnt den Anschluss oder die völlige Integration der entsprechenden Territorien, bei gleichzeitiger Einführung einer föderalistischen demokratischen Struktur, welche von Anfang an frei sein muss von Clan- und Mafiastrukturen. Die es übrigens, das ist völlig klar, auch in Israel selber gibt, wo gäbe es sie nicht.

Der Kurs der türkischen Lira hat am Montag gegenüber dem Dollar um gut 8% nachgegeben, nachdem er in den Tagen zuvor an die 50% gewonnen hatte nach einer Reihe von Maßnahmen, welche unsere beliebte Kasperlefigur Erdopampel zur Stützung der Lira ergriffen hatte. Die Spannung steigt. Ich selber bin in Geld- und Währungsfragen nicht so gut beschlagen wie ein Brauereipferd; ein wichtiger Grundsatz der letzten Jahrzehnte scheint mir zu sein, dass es funktioniert, wenn es funktioniert, wogegen all die schönen Sachen wie die Warnungen vor zu hohen Staatsausgaben, Staatsverschuldung und so weiter in den entwickelten Volkswirtschaften keine weitere Funktion haben als den des Knüppels aus dem Kasperletheater – die Währung der Vereinigten Staaten von Amerika müsste schon längstens libanesische Dimensionen angenommen haben, wenn diese Warnungen Substanz hätten. Das ist nicht der Fall. Bei der Türkei liegt es etwas anders. Die Türkei gehört nicht zur obersten Liga, tut aber unter dem Erdopampel alles, um aufzusteigen. Der Kurs der türkischen Lira widerspiegelt mehr oder weniger die Haltung der entwickelten Welt gegenüber der militärischen und wirtschaftlichen aggressiven Expansion. Wenn es der Türkei gelingt, im von ihr erschlossenen Raum, namentlich in Nordafrika irgendein Wirtschaftssubstrat zu schaffen, welches ihre Währung zu stützen vermag, könnte sich die Vision des Erdopampels auszahlen. Allerdings sieht es im Moment nicht so aus, als würde dieser Fall auch eintreten. Immerhin ist mit diesem Hinweis wieder einmal gesagt, wo Europa genauer hinschauen sollte. Es lohnt sich durchaus, den Blick nicht durch einen antirussischen Reflex eintrüben zu lassen, der übrigens in schöner Ausprägung auch den afrikanischen Kontinent umfasst, namentlich in der Berichterstattung über die russischen Wagner-Söldnertruppen. Wie hießen nochmals die US-amerikanischen Söldner? Blackwater, wenn ich mich recht erinnere, später Blackwater Worldwide, dann Xe Services LLC und heute, zu meinem wirklich sehr großen Gaudium, Gaudium magnum, würde der Papst sagen, «Academi». Blackwater, auch bekannt aus den Wikileaks, wegen derer Julian Assange an die erwähnten Vereinigten Staaten ausgeliefert werden soll und dort gefoltert, gevierteilt und in Säure aufgelöst – ach nein, das war ja der Kashoggi und Bin Salman, der dem damaligen US-Präsidenten im Austausch dafür Waffen für 400 Milliarden Dollar abzukaufen versprach. Also Blackwater wurde gegründet von Eric Prince, der das Unternehmen vor ein paar Jahren verkauft hat; seine Schwester Betsy DeVos diente dem erwähnten 400-Milliarden-Dollar-Präsidenten vom 7. Februar 2017 bis am 8. Januar 2021 – nein, nicht als Verteidigungsministerin, das wäre allzu offensichtlich gewesen; man schob das Ressort einer Bildungsministerin vor, die man in den Vereinigten Staaten traditionellerweise nicht so ernst nimmt, wie es die Wahl von Donald Trump mit seinen ununterbrochenen, für jede halbwegs gebildete Bürger:in deutlich erkennbaren Lügen deutlich gezeigt hat. Immerhin, immerhin ist die Schwerttanz-Brüderschaft des Trumpdonald mit dem Binsalman mit dafür verantwortlich, dass sich die Lage im Nahen Osten irgendwann mal entspannen könnte beziehungsweise sich bereits entspannt hat – so benutzt der Weltgeist halt gerne mal die größten Idioten, um seiner Wege zu gehen, da kann man nichts machen, umso mehr, als man praktisch täglich feststellt, dass alle Kardinaltugenden, von der Vernunft über die Wahrheit bis zu zahlreichen Charaktereigenschaften, auf dieser Welt und in diesem Leben außerhalb des privaten Kreises überhaupt nichts zählen. Das ist ein Fakt, gegen den man nicht zu rebellieren, sondern mit dem man sich abzufinden hat.

Eben, die Öffentlichkeit im Westen lenkt ihre Aufmerksamkeit lieber darauf, den Russen neben den tatsächlichen auch aller möglichen weiteren Verstöße gegen die guten Sitten zu bezichtigen, zum Beispiel eben mit der Gruppe Wagner, welche die Behörden in Mali nun mal zur Hilfe gerufen haben, nachdem der europäische Verteidigungsminister Emanuel Macron beschlossen hatte, die europäische Militärpräsenz zu reduzieren. Aber was wollt ihr denn, geschätzte Freundinnen und Freunde der Westpresse, möchtet ihr lieber in Mali einen weiteren islamischen Staat, eine befestigte Stellung der reaktionären Vertrottelung, wie wir sie in Afghanistan gegenwärtig mit Bart sehen und in verschiedenen anderen Ländern ohne Bart? Ich habe aus neutraler Sicht zu den verschiedenen Auseinandersetzungen auf dem Globus nicht viel beizutragen, aber mindestens einen klaren Blick auf die Ereignisse und die Möglichkeit, gewisse Schlüsse daraus zu ziehen, das möchte man sich schon erhalten. Und dazu gehört, was ich seit Jahr und Tag sage und was mir wirklich immer dringender erscheint: So, wie Israel ein Arrangement mit seinen Nachbarn treffen muss beziehungsweise umgekehrt, so muss sich Europa um seine Nachbarn an der Südküste des Mittelmeeres kümmern. Es hat ja alle Voraussetzungen dafür. Aber warum macht man es denn nicht? Bloß aus Angst vor der nationalistischen Rechten, welche möglichst schnell wieder einen völkischen Krieg in Szene setzen möchte vielleicht? Das ist nicht euer Ernst, Kolleginnen und Kollegen, oder? Kümmert euch um Nordafrika und lasst die Ukraine in Ruhe. An die Ukraine könnt ihr wieder denken, wenn die imstande sind, eine Müllverarbeitung einzurichten, die besser funktioniert als jene in Palermo und Neapel.


Hier findest du alle Kolumnen von Albert Jörimann von 2007 bis heute.

Albert Jörimann
28.12.2021

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