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"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Sino-afrikanisches Forum

Am chinesisch-afrikanischen Gipfel vom 3./4. September stellte die chinesische Regierung nicht rückzahlbare Kredite im Umfang von 15 Milliarden Dollar in Aussicht, sozusagen als flankierende Maßnahmen für den Handelsaustausch, der im letzten Jahr 170 Milliarden Dollar umfasste.



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Damit ist China der größte Handelspartner Afrikas. Daneben gibt es Kredite zu Marktbedingungen in der Höhe von 20 Milliarden Dollar, 15 Milliarden Dollar fließen im Rahmen von Investitionsfonds sowie 10 Milliarden Dollar als Finanzierungshilfen für chinesische Firmen, die sich in Afrika enga­gie­ren. Zudem will China den ärmsten Ländern einen Teil der gewährten zinsgünstigen Kredite erlassen. Bisher, also zwischen 2000 und 2016, hat China laut der John Hopkins School of Advanced International Studies 75 Milliarden Dollar auf dem afrika­ni­schen Kontinent investiert; Xi Jin Ping sprach am Gipfel allerdings von 60 Milliarden Dollar, die allein im Jahr 2015 beim letzten chinesisch-afrikanischen Gipfel in Johannesburg zugesagt und bereits geflossen oder am Fließen seien. Die Staatskredite gehen zu einem schönen Teil in Infrastrukturprojekte; da die Chinesen in der Regel auch bei der Projektierung und Ausführung involviert sind, ist die Gefahr von Missbrauch und Ineffizienz deutlich geringer als bei jenen Vorhaben, die im Sinne der lupenreinen Dekolonia­lisie­rung ganz in die Hände lokaler Verantwortlicher gelegt wurden. Umgekehrt wissen die afrikanischen Führungsfiguren sehr genau, dass sie von dieser Effizienz in der Form von tatsächlich realisierten und anschließend auch funktionierenden Projekten doppelt profitieren, zum einen in der Form eines besseren Rufes ihrer Regierungen und Eliten, zum andern in der Form verbesserter Kommunikations- und Wirtschaftsbeziehungen im Land selber und gegen außen. Ja, der Chineserer ist in Afrika gern gesehen, nicht zuletzt deswegen, weil er seine Eigeninteressen nicht mit Sprüchen von Menschenrechten, Meinungsfreiheit und Demokratie kaschiert.

Auf der Webseite des Gipfeltreffens ist der chinesische Präsident Xi Jin Ping zu sehen beim Schütteln der Hände folgender Staatschefs: Salva Kiir, Präsident von Südsudan, Paul Biya, Präsident von Kamerun, Mokgweetsi Masisi, Präsident von Botswana, Mohammed Abdullahi Mohammed, Präsident von Somalia, Roch Marc Christian Kaboré, Präsident von Burkina Faso, Mahamadou Issoufou, Präsident von Nigeria, Ibrahim Boubacar Keita, Präsident von Mali, Danny Faure, Präsident der Seychellen, Patrice Talon, Präsident von Benin, George Weah, Präsident von Liberia, Peter Mutharika, Präsident von Malawi, Alpha Condé, Präsident von Guinea, Nana Akufo-Addo, Präsident von Ghana, Edgar Lungu, Präsident von Sambia, Alassane Ouattara, Präsident der Elfenbeinküste, Filipe Nyusi, Präsident von Moçambique, Ali Bongo Ondimba, Präsident von Gabun, Asali Assoumani, Präsident der Komo­ren, Abdel Fattah al-Sisi, Präsident von Ägypten, Omar al-Bashir, Präsident des Sudan, Hage Geingob, Präsident von Namibia, Pravind Jugnauth, Premierminister von Mauritius, Teodor Oblang Nguema Mbasogo, Präsident von Äquatorialguinea, Macky Sall, Präsident von Senegal, Mohammed Ould Abdel Aziz, Präsident von Mauretanien, Joao Lourenço, Präsident von Angola, Ismail Omar Guelleh, Präsident von Djibouti, Ably Ahmed Ali, Präsident von Äthiopien, Cyril Ramaphosa, Präsident von Südafrika, Uhuru Kenyatta, Präsident von Kenya, Paul Kagame, Präsident von Ruanda, Joseph Butore, zweiter Vizepräsident von Burundi, Muhammed Buhari, Präsident von Niger, Heri Rajanonarimampianina, Präsident von Madagaskar, Idriss Deby Itno, Präsident von Tschad, Denis Sassou Nguesso, Präsident der Volksrepublik Kongo, Jussef Chahed, Premierminister von Tunesien, Patrice Trovoada, Premierminister von Sao Tomé und Principe, Saad Eddine El Othmani, Premierminister von Marokko, Emerso Mnangagwa, Präsident von Zimbabwe, José Mario Vaz, Präsident von Guinea-Bissau, Ahmed Ouyahia, Premierminister von Algerien, Ulisses Correia, Premierminister der Kapverden, Faustine Archange Touadéra, Präsident der Zentralafrikanischen Republik, Yoweri Museveni, Präsident von Uganda, Adama Barrow, Präsident von Gambia, Bruno Tshibala, Premierminister der Demokratischen Republik Kongo, Motsoahae Thomas Tabane, Präsident von Lesotho, und Kassim Majaliwa, Premierminister von Tansania. Dazu Moussa Faki Mahamat, Vorsitzender der Afrikanischen Union, und UNO-Generalsekreätr Antonio Guterres.

Es fehlen in der afrikanischen Wurmbüchse Swasiland, das letzte Land Afrikas, das weiterhin offizielle Beziehungen zu Taiwan unterhält, was gemäß den Beipackbedingungen dieses Forums nicht statthaft ist, und ebenfalls nicht gesehen habe ich Eritrea, wobei der eritreische Präsident Isaias Afwerki in einem Interview mit dem chinesischen Fernsehsender CGTN den neu ausgebrochenen Frieden mit Äthiopien bestätigte und Anstrengungen zur wirtschaftlichen Erneuerung Eritreas in Aussicht stellte. Am Horn von Afrika ist so ziemlich alles in Bewegung geraten: Somalia, Äthiopien und Eritrea haben Anfang dieses Monats ein tripartites Abkommen geschlossen, das auch zur Lösung eines jahrelangen Konflikts um eine Grenzfrage mit Djibouti führen soll. – Übrigens wurde Ende Juli der Leiter des gewaltigen Staudamm-Bauprojekts für den Blauen Nil in Äthiopien, welches das Land und auch den Sudan mit Strom versorgen soll und welches die Chinesen ko-finanzieren und welchem die Ägypter, die um ihre Wasserversorgung fürchten, kritisch gegenüber stehen, in seinem Auto erschossen aufgefunden. Jetzt heißt es, er habe Selbstmord begangen. Bereits im Mai erschossen lokale Aufständische den Direktor des Zementwerks, welches im Zusammenhang mit dem Staudammbau eingerichtet wurde. Aber dies nur Nebenbei.

Die Parade der vollständigen Prominenz Afrikas in Peking belegt nicht nur die Bedeutung Chinas für den Kontinent, sondern dass sie auch gewürdigt wird. Wie gesagt: Hier geht es nicht darum, dass die Familien der Präsidenten und ihrer Minister bestochen werden, um günstig an Kon­zes­sio­nen für die Förderung von Seltenen Erden, Edelsteinen und Erdöl heran zu kommen, wie dies in der Regel der Fall ist, wenn westliche Unternehmen im Windschatten der diplomatischen und militä­rischen Beziehungen auf Regierungsebene auf diesem Kontinent aktiv werden. Hier wird wirklich gearbeitet, und zwar auf kontinentaler Ebene, und das soll den Chinesen einmal einer nachmachen.

Die europäische oder westliche Variante des Geschäftemachens in Afrika kann derweil am ehemals zweitgrößten Kakaohändler der Elfenbeinküste beobachtet werden. Saf Cacao ist zahlungs­unfähig und steht vor der Liquidation, weil im letzten Jahr Preisspekulationen dazu führten, dass der Handel einbrach, worauf verschiedene Handelskredite nicht mehr bedient wurden. Das wieder­um setzt dem Bankensektor zu, welcher Gefahr läuft, im Rahmen der Liquidation sämtliche Kredite zu verlieren. Aus diesem Grund wehren sich die betroffenen Banken auch gegen die Liquidation, unter ihnen auch BNP Paribas und Société Générale. In den Lagerhallen von Saf Cacao liegen gut 55'000 Tonnen Kakaobohnen, was beim aktuellen Kurs von 1602 Pfund pro Tonne einem Wert von etwa 100 Millionen Dollar entspricht; allerdings nimmt die Qualität des Kakaos ab, je länger es dauert, bis er auf den Markt kommt. Und da die Schulden von Saf Cacao bei 200 Millionen Dollar liegen, kann man sich gut vorstellen, dass es noch dauern wird, bis sich die Gläubiger einigen.

In Angola wundert man sich derweil, wie es dem neuen Staatschef Joao Lourenço gelungen ist, die Clique rund um den ehemaligen Präsidenten José Eduardo dos Santos so schnell zu neutralisieren. Insbesondere die Entlassung der Präsidententochter Isabel dos Santos als Leiterin der staatlichen Erdölfirma und des Präsidentensohns José Filomeno als Chef des staatlichen Anlagefonds hat weltweit Erstaunen hervorgerufen und die Frage aufgeworfen, ob Lourenço nun mindestens ein paar Jahre lang für mehr Gerechtigkeit sorgt in Angola oder ob er die Positionen schnell mit Leuten aus der eigenen Verwandtschaft besetzen wird. Ich kann es nicht sagen, und der offizielle Diskurs über die Bekämpfung von Korruption im Land sagt dazu vorderhand auch noch nichts aus.

Im Übrigen will ich doch ein bisschen Gnade walten lassen für die Europäer. Nicht nur die Chinesen bauen Eisenbahnen in Afrika, auch Vincent Bolloré ist mit seinem Projekt für Westafrika aktiv, wobei dieses Projekt seit 2015 durch Einsprachen blockiert ist. Heute ist schon die Rede davon, dass sich Bolloré zurückziehen wird und dass an seiner Stelle, na wer wohl: die Chinesen die 1000 Kilometer zwischen Cotonou und Niamey bauen werden. Aber solche Dinge werden dann in der Regel in der hohen Politik entschieden, und ob die Chinesen große Lust haben, den Franzosen in die Suppe zu spucken, darf bezweifelt werden. Bei den ehemaligen englischen Kolonien verhält sich das anders, die Briten sind im Moment politisch zu überhaupt nichts mehr in der Lage, da haben die Chinesen freie Hand, wenn man auch davon auszugehen hat, dass über die entsprechenden Vorhaben ebenfalls Gespräche geführt werden. Französisch-Afrika ist dagegen viel stärker nicht nur an Frankreich, sondern insgesamt an die Europäische Union gebunden. Das kann spannend werden.

Aber die Franzosen haben nicht nur ihre ehemaligen Kolonien, sie haben noch andere Verbündete. In Marokko geht mit ein bisschen Schwein noch in diesem Jahr der erste Teil der Linie in Betrieb, welche Tanger mit Casablanca verbinden soll, und zwar mit den französischen TGV. Sechzehn Kompositionen wurden bereits im Jahr 2016 nach Marokko geliefert, wo sie von der lokalen Tochtergesellschaft mit der erforderlichen Technik ausgestattet werden. Die marokkanische Eisenbahngesellschaft rechnet mit 6 Millionen Passagieren pro Jahr.

In England feiert gegenwärtig der Trades Union Congress seinen 150. Geburtstag. Die General­sekretärin Frances O'Grady forderte bei dieser Gelegenheit in Manchester die 4-Tage-Woche, damit der Wohlstand aus den neuen Technologien auch allen zugute komme. Bei den Tagesfragen standen die miesen Arbeitsbedingungen bei Amazon im Vordergrund und in der Politik selbstverständlich der Brexit beziehungsweise das große Chaos, vor allem innerhalb der konservativen Partei, wenn es darum geht, rote Linien zu definieren beziehungsweise sie gegenüber der Europäischen Union in Vertragsform zu fassen. Am leichtesten haben es dabei blonde Lockenköpfe wie der Enkel des früheren türkischen Innenministers, welche einfach herum brüllen können; am schwierigsten scheint mir die Lage aber für die Labor-Partei, welche sich entscheiden muss, ob sie die Premierministerin dabei unterstützen soll, ihre Brexit-Pläne gegen den Widerstand der Hälfte der eigenen Partei durchzusetzen.

Ungefähr dies ist es, was ich im Moment zu Chemnitz zu sagen habe.



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Albert Jörimann
11.09.2018

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