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"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Spione

Vor zehn Jahren drehten die Cohen-Brüder eine Geheimdienst-Komödie, in welcher es, geheim­dienst­lich gesehen, um rein gar nichts ging, die aber trotzdem ein gewisses Quantum Leichen beinhaltete, namentlich einen drittklassigen deaktivierten CIA-Analysten sowie zwei Mitarbeiter eines Fitness­studios.



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> Download «Burn after Reading» heißt der Streifen, und wer sich gerne amüsiert, namentlich über den Geheimdienst-Alltag, dem empfehle ich ihn hiermit wärmstens – ich habe ihn vor ein paar Tagen zum dritten Mal gesehen und exakt gleich laut gelacht wie bei den ersten Vorführungen.

Was wäre die Welt ohne die Geheimdienste? Ich habe keine Ahnung. Was ich weiß, ist, dass ausnahmslos alle Menschen in der modernen Gesellschaft so etwas wie einen persönlichen Geheimdienst führen, nämlich jene Instanz, die ihnen sagt, dass nicht alles stimmt, was so in die Öffentlichkeit dringt beziehungsweise was publiziert wird. Insbesondere das Misstrauen gegen die Werbung ist unterdessen allgemein. Wer glaubt denn noch im Ernst, dass das Koffein im Haar­pfle­ge­mittel Alpecin tatsächlich das Haarwachstum fördert beziehungsweise vor Haarausfall schützt und dass die in den neuen Sorten enthaltenen Farbpigmente tatsächlich magnetisch am Haar haften – seit wann sind denn Haare aus Eisen, bitteschön? Eisen und Kaffee für die Haare, meine Nerven, die lügen ganz unverschämt in der Welt herum, und trotzdem werden ihre Produkte gekauft. Ein anderes Beispiel ist eine Bierfirma, die für jeden Bierdeckel einen Quadratmeter Regenwald zu retten vorgab – gute Güte! Mein persönlicher Geheimdienst weiß, dass das alles Lüge ist und die ganze Werbung ein abge­kar­te­tes Spiel, das sogar mit dem Einverständnis der Belogenen funk­tio­niert, welche sich über beson­ders gelungene oder besonders dreiste Werbeschwindel freuen und dafür öffentliche Preis­ver­lei­hun­gen durchführen. All dies weiß mein Geheimdienst, und er weiß noch viel mehr, aber hier beginnt sich mein persönlicher Geheimdienst von jenem anderer Personen zu unterscheiden. Es gibt in Deutschland zum Beispiel Personen, deren eigener Geheimdienst in Erfahrung gebracht hat, dass Asylbewerber jeden Tag einen reinrassigen Deutschen abstechen. Natürlich sind solche individuellen Geheimdienste angewiesen auf die Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten, zum Beispiel mit dem russischen, welcher seine aktuellen Erkenntnisse gerne über Russia Today Punkt de publiziert, aber oft auch unter Verschlüsselung des Absendernamens in die sozialen Netzwerke einspeist. Im Falle der versuchten Ausrottung der deutschen Rasse vermittels eines täglichen Messermordes an einem Mitglied derselbigen allerdings vermute ich eher inlän­di­sche Quellen, wenn auch nicht den Bundesnachrichtendienst. Diese wirklich geheime Information, also jene über die alltäglichen Morde der Asylbewerber am deutschen Bevölkerungsstamm oder an der Stammbevölkerung, sind derart geheim, dass die Bundesregierung und das von ihr abhängige, beziehungsweise das ihr geradezu hörige statistische Amt diese 365 Messermorde pro Jahr ratzeputz vertuscht. Wahrscheinlich steckt auch die Polizei mit unter der Decke und verwischt die Spuren und beseitigt die Opfer, zum Beispiel durch die Auflösung in polizeieigenen Säuretanks, welche die Merkel-Bundesregierung eigens zu diesem Zweck angekauft hat, und sie streicht die Ermordeten auch aus den Einwohnermeldeämtern, sodass es am Schluss erscheint, als hätten diese 365 reinrassigen Deutschen gar nie existiert, aber den eigenen Geheimdienst dieser Riesen­arsch­lö­cher kann man natürlich nicht an der Nase herumführen. – Aber wo war ich eigentlich? Ach ja, bei den Geheimdiensten.

Ich weiß also von meinem eigenen Geheimdienst, aber auch aus anderen und sogar aus offiziellen Quellen, dass die Russen auch nach dem Zerfall der Sowjetunion einen eigenen Geheimdienst führen und dass der aktuelle Staatspräsident eine Vergangenheit als Spion in Berlin hatte, na gut, in Ostberlin, damals. Auch wenn ich es nicht ohnehin wüsste, käme ich nicht umhin, dies zu wissen, denn die Qualitätsmedien sind gegenwärtig voll von bitteren Meldungen über diesen Geheimdienst, die im wesentlichen darin bestehen, dass es sich um einen Geheimdienst handelt, mit anderen Worten: dass er geheimdienstlich tätig ist. Da es sich nun aber um die Russen handelt, ist dieser Geheimdienst selbstredend von einer eigenen Bösartigkeit, ich sage nur: Skripal! Die bringen tatsächlich ihre eigenen Leute um, die Schurken, namentlich wenn sie zum Gegner übergelaufen sind und diesem möglichst viele Einzelheiten über Struktur, Mitglieder und so weiter des Geheimdienstes erzählen. Noch schlimmer: Der russische Geheimdienst versucht selber, sich Informationen zu beschaffen mehr oder weniger zu allen Bereichen, von denen Russland betroffen ist, also beispielsweise die internationale Drogenfahndungsagentur Wada, das Olympische Komitee mit seinen Unterlagen zu den russischen Dopingvergehen, aber auch ausländische Rüstungsbetriebe oder gar Industrieunternehmen und Banken, ganz abgesehen von den militärischen Geheimnissen im engeren Sinne – also so etwas macht doch ein anständiger Geheimdienst ganz und gar nicht!

So tönt es mindestens in der Schweiz aus allen offiziellen Kanälen, vor allem, seit bekannt geworden ist, dass die Skripal-Attentäter vor dem Attentat einen Abstecher nach Genf machten und dass Spione, welche ein spezialisiertes ABC-Labor in der Schweiz ausspionieren sollten, mit dem Zug nach Basel fahren wollten, wobei sie insofern daran gehindert wurden, als die holländischen Kollegen sie noch in Amsterdam festsetzten und anschließend zurück nach Leningrad in die Geheimdienstzentrale spedierten.

Ja, das ist mir ein rechter Skandal. Die Russen haben einen Geheimdienst und spionieren herum, dass es eine Art hat. Die Amerikaner dagegen vertrödeln ihre Zeit in der CIA-Centrale Langley mit Whiskey und damit, die Dummheiten ihres besoffenen oder sexbesessenen Linien-Personals auszubügeln, wie der Film der Cohen-Brüder durchaus wahrheitshaltig beweist. Der MI6 dreht seine Daumen hin und her und drum rum, die Franzosen sind mit ihren eigenen Politikerinnen und Politikern beschäftigt, und vom deutschen BND wollen wir gar nicht erst reden.

Diese Berichterstattung der offiziellen Medien ist ein derartiger Unfug, dass sich sogar westliche Korrespondentinnen und Korrespondenten in Moskau darüber ärgern. Was soll das, wozu dient die billige Stimmungsmache gegen einen Feind, den es gar nicht gibt? Um es wieder mal zum Ausdruck zu bringen: Mit einiger Sicherheit lässt auch die CIA ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermor­den, wenn sie Geheimnisse verraten; mit absolut hundertprozentiger Sicherheit spioniert die CIA nicht nur die verschiedenen internationalen Gremien, sondern auch alle befreundeten Regierungen und vermutlich auch die eigenen Ministerien aus, und so weiter und so fort. Was soll das Getue über die Russen? Respektive: Wie kommen seriöse Redaktionen darauf, solche Meldungen im Ernst auf der Titelseite abzudrucken oder in die Schlagzeilen zu setzen?

Man weiß es nicht. Man fragt sich bloß, was es mit der Qualität der Qualitätsmedien auf sich hat. Und ich persönlich erinnere mich daran, dass ich kürzlich den Zeit-Herausgeber Joffe in einem Fernsehinterview herumdrucksen habe hören, dass es nun eigentlich Zeit sei, dass Deutschland mit der Bundeswehr endlich so richtig eingreife in das weltpolitische Geschehen, mit anderen Worten: dass Deutschland sich endlich wieder daran mache, so richtig Krieg zu führen. Vorderhand natürlich noch im entfernten Ausland, versteht sich. Aber jedenfalls muss Deutschland nun endlich wieder auch militärisch Verantwortung übernehmen.

Muss es das, geschätzte Hörerinnen und Hörer?

Mich braucht ihr dazu nicht zu fragen. Ich und meinesgleichen, wir sind froh darum, dass sich Deutschland um viele Sachen kümmert, bloß nicht um systematische und massive Auslandeinsätze der Bundeswehr. Ich habe keine Ahnung, weshalb das so ist, vielleicht muss ich bei Gelegenheit mal bei meinem eigenen Geheimdienst nachfragen. Aber dass mir die veröffentlichte Meinung manchmal richtiggehend auf den Sack geht, das habt ihr wohl gemerkt. Sie zwingen mich nämlich, all diese Zeit-, Welt-, Spiegel-, Süddeutsche- und FAZ-Herausgeber mit ihren nützlichen Redaktionen, sie zwingen mich dazu, eine Art von Russlandfreundlichkeit zu pflegen, die ich mir eigentlich gar nicht leisten möchte. Ich würde sehr gerne in der gebotenen Sachlichkeit davon sprechen, welche Möglichkeiten der russische Staat hat, die unzähligen und disparaten Interessen auf seinem Territorium unter einen Hut zu bringen und so etwas wie Fortschritte zu erzielen auf zahlreichen Ebenen, von denen die Bildung nicht die letzte wäre. Nur eine profunde Bildung erlaubt den Individuen die Ausbildung eines persönlichen Geheimdienstes, welcher den Namen auch verdient, also nicht von der Hornochsen-Sorte, wie sie die Verschwörungstheoretiker und Asylantenhetze-Praktiker antreibt. Und neben der Bildung steht nicht die Armutsbekämpfung an erster Stelle, die findet mehr oder weniger in jedem halbwegs zivilisierten Land sowieso statt, sondern die Einrichtung eines demokratischen Bewusstseins und damit verbunden tatsächlich demokratischer Mechanismen. Darum wird nicht einmal Russland herum kommen, auch wenn im Moment grad gar nichts danach aussieht.

Dass man eine Demokratie auch ohne richtige Demokratie einrichten kann, zeigen die Wahlen in Brasilien. Der rechtsextreme Kollege Bolsonaro erfreut sich einer gewaltigen Gunst bei den Wählerinnen und Wählern, weil diese in Brasilien seit Jahren und Jahrzehnten von ausnahms­los allen Politikerinnen und Politikern verschaukelt worden sind. Präsident Lula hat vor fünfzehn Jahren wenigstens noch ein paar Erträge aus der Erdölkonjunktur an die einfache Bevölkerung fliesen lassen, ebenso übrigens wie seine Nachfolgerin Dilma Rousseff, aber insgesamt war halt schon auch die Arbeiterpartei ein ebenso korrupter Sauhaufen wie die politische Rechte. Da erscheint es logisch, dass man einer Person mit deutlichem Vokabular die Stimme gibt - da weiß man wenigstens, was man hat. Rechtsextrem? Homophob? Anhänger einer Militärdiktatur? Daran glaube ich erst, wenn ich das erste Amtsjahr dieses neuen brasilianischen Zauberers gesehen habe. Schlimmer als der Temer, und das ist das wirklich Schlimme daran, kann es schlicht und einfach nicht werden.

Wie reformiert oder revolutioniert man Brasilien? Wer eine Antwort auf diese Frage findet, hat eine Antwort auf sämtliche politischen Fragen gefunden. Ich möchte am liebsten einen Preis aussetzen für den besten Ansatz. Einen Tipp gebe ich zum Voraus: die Gründung einer antiimperialistischen Miniaturpartei ist nicht zielführend. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass die Bewegung «Occupy Wall Street» die Wall Street nicht nur niemals besetzt hat, sondern auch niemals ernsthafte Ansätze dazu entwickelte, also zum Beispiel einen Plan, wie man physisch in die Börse kommt,um sie lahmzulegen, oder in die Bankhäuser, wie man die Server in Beschlag nimmt und so weiter und so fort. Kein einziges der Occupy-Wall-Street-Großmäuler hat jemals einen Finger in diese Richtung gekrümmt.



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Albert Jörimann
09.10.2018

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