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"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Stichhaltige Gerüchte

Viele politische Entscheidungen mögen verfrüht oder falsch getroffen werden, aber sie bilden anschließend eine Realität, mit der man sich auseinandersetzen muss.



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> Download Bei der Osterweiterung der EU wird man nicht zum vornherein von einer falschen Entscheidung sprechen, aber sie hat sich als auf mancher Ebene verzwickter herausgestellt, als dies ursprünglich gedacht war, vermutlich vor allem deshalb, weil die westliche Vorstellung von Europa durchaus nicht deckungsgleich ist mit jener in Zentraleuropa, wie man immer wieder feststellt. Den ehemaligen Ostblockstaaten ist die deutsch-französische Blutsbrüderschaft vollkommen egal, sie sind innerlich nach wie vor eher mit der Erlangung irgendeiner Art von Unabhängigkeit beschäftigt als mit der Eingliederung in einen politischen Kontinent, von dem sie sich nicht etwa gegängelt fühlen, sondern von dem sie tat­säch­lich gegängelt werden, und zwar vollständig zu Recht, wenn man sich die anhaltende politische Misere vor Augen hält mit den beiden Eckpfeilern antisemitischer Nationalismus in Polen und Ungarn sowie Korruption in Rumänien und Bulgarien. Es braucht hier nicht einfach Zeit, sondern es braucht die Entstehung einer tatsächlichen Wirtschaftsmacht mit europäischer Dimen­sion in Rumänien und in Bulgarien. Zum Beispiel. Wirtschaftliche Potenz hat auch heute noch ein ungeheures pazifizierendes Potenzial, wie man immer wieder sieht.

Dagegen wollen die Ukrainer jetzt endlich Moskau erobern. Mindestens steht eine Kriegserklärung zur Debatte. Die Ukrainer spüren, wie herzensgerne die Nachfolger der Barroso-Brühwurst in der Europäischen Union sowie die Nato sich ihr Land unter den Nagel reißen und die militärische Grenze zu Russland weiter in den Osten vorantreiben möchten. Anderseits wissen sie genau, dass ein tatsächlicher Krieg ein Ding der Unmöglichkeit ist. Die Nato würde keinen Bündnisfall ausrufen können, wenn die Ukrainer um 4 Uhr in der Früh zurückzuschießen beginnen, weil die Ukraine trotz unendlicher Liebes­mühe kein Nato-Mitgliedsland ist, soviel ist allen Beteiligten klar, und damit kann man das Kriegs­gerumpel in Kiew in erster Linie innenpolitisch interpretieren. Der Laie aber sieht sich wieder mal bestätigt in der Einschätzung, dass die Annexion der Krim durch Russland vor vier Jahren voll­ständig richtig war. Die verworrene und verknäuelte Interessenlage in der Ukraine hätte andern­falls zwangsläufig zu regelmäßigen Kampagnen gegen die russischen Militäreinrichtungen geführt; das Geplänkel in der Kerch-Straße, bei dem die russische Marine kurzzeitig drei ukrainische Kriegs­schiffe festgesetzt hat, gibt ein ganz gutes Geschmacksbeispiel dafür ab. Ich zweifle wirklich keine Sekunde daran, dass das ukrainische Nationalbewusstsein, soweit es überhaupt als einheitliches existiert, in seinem unterbewussten Teil immer wieder davon angestachelt wird, dass die großen Brüder und Schwestern im Westen das russische Reich am liebsten von der Erdkarte tilgen würden und dass der Ukraine bei diesem Projekt eine historische Vorreiterrolle zukommen könnte, und dieses ukrainische Nationalunterbewusstsein zuckt dann halt jeweils an besonders neuralgischen Punkten wie eben im schwarzen und asowschen Meer. Und dann muss halt der, staatsbiologisch eindeutig der Ukraine anverwandte große Bruder Russland die Zuckungen des kleinen mit einer Kopfnuss quittieren.

Ja, so sehe ich das in der Tat, also rein militärisch, mit anderen Worten: ganz genau so wie die gesamte freie Welt in ihrer Nato-Form, bloß natürlich nicht in deren Propaganda-Version, sondern, wie es sich gehört, objektiv, unabhängig und neutral.

Daneben will ich dem großen Russland weiter keine positiveren Zensuren ausstellen als nötig. Letzte Woche hat der Kreml wieder mal einem praktisch schon gewählten Kandidaten für ein Amt als Gouverneur oder so ähnlich im entfernten Ostsibirien schlicht und einfach die Kandidatur für den zweiten Wahlgang verboten. Gospodin Putin, so macht man das einfach nicht! Pfui! Schau doch in die Vereinigten Staaten, da hat doch dein Geheimdienst ohne Zweifel sowohl Intelligenz als auch Expertise, in Landstrichen an der Grenze zur Verzweiflung operiert man heute mit Kandida­tin­nen und Kandidaten ohne Anzeichen von Intelligenz, dafür aber mit operativem Tourette und mit der sogenannten Verhetzung, Verblödung, Spaltung oder was auch immer noch an negativem Vokabular auf der Straße herum liegt! Das wäre mal modern, wenn in Wladiwostok ein Gouverneurskandidat mit der Errichtung einer Mauer gegen Alaska drohen würde! Zur Not tut's auch das Weltjudentum. So geht heute Demokratie, da könnte Russland doch einen nahtlosen Anschluss basteln ohne den lästigen Zwischenschritt mit der Bildung politischer Parteien, die dann sowieso alle ein sozial­demo­krati­sches Programm und Profil hätten! Gospodin Putin! Stillgestanden!

Er hört ja nicht auf mich und hält offenbar nach wie vor an seinem Plan fest, Alexander Nawalni zu seinem Nachfolger aufzubauen. Jüngst hat er ihn demonstrativ nach Straßburg ausreisen lassen, um ein Urteil zu seinen Gunsten gegen den russischen Staat entgegenzunehmen wie einen Nobelpreis, nur etwas schwächer dotiert mit gut 70'000 Euro. Demonstrativ sage ich deshalb, weil die Welt, mindestens aber der westliche sozialdemokratische Medienkonsens das vielleicht gar nicht wahrgenommen hätte, wenn Nawalni nicht vorübergehend an der Ausreise gehindert worden wäre. So hat Gospodin Putin sichergestellt, dass die Öffentlichkeit den Sieg Nawalnis vor Gericht auch wirklich mit der notwendigen Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen hat. Jetzt muss Nawalni einfach noch die richtigen Kurse zur Good Governance auf der Untergrundschule des KGB beziehungsweise des FSB besuchen, dann ist er fit für den Job.

Ihr seht beziehungsweise hört, geschätzte Hörerinnen und Hörer in Erfurt, dass auch ich so meine kleinen Verschwörungstheorien pflege. Sie sind aber etwas anderer Natur als jene zum Beispiel des Klubobmanns der Freiheitlichen Partei Österreichs, Johann Gudenus. Dass der den US-ameri­ka­nischen Milliardär und angeblichen Philanthropen Georg Soros als Popanz hätschelt für seine wahnwitzige These, dass die Einwanderung nach Europa die Folge einer Strategie zur gezielten genetischen Ausrottung der Europäer sei, welche eben vom Weltjuden Georg Soros finanziert werde, wobei man vermuten darf, dass hinter dem Weltjuden das gesamte Weltjudentum steckt, das allein hebt ihn nicht von anderen Quatschköpfen ab, welche wie er anstelle eines Hirns einen rechtsseitig von Fäulnis befallenen Blumenkohl im Kopfknochen stecken haben. Dummheit erzeugt nun mal einen inneren Überdruck, der durch irgendwelche Blumenkohl-Ventile abgelassen werden muss, das ist durch verschiedene Studien mathematisch bewiesen. Dies allein ist es also nicht, was Johannes Gudenus die Ehre meiner Aufmerksamkeit verschafft, sondern es ist der wirklich typbildende wissenschaftliche Begriff, dessen sich Gudenus bedient, um seine Blumenkohl-Abgase zu belegen, nämlich, Achtung und tataa, ich möchte den Begriff eigentlich am liebsten am Flughafen verhaften, um ihm die notwendige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, aber wir sind hier nicht in Moskau, deshalb kommt er jetzt: Es sind, ich zitiere: «stichhaltige Gerüchte», welche Gudenus regelmäßig als Beleg für die Soros-Verschwörung ins Feld führt.

Stichhaltige Gerüchte! – Nicht salzhaltige Gerichte, sondern wirklich und wahrhaftig: Stichhaltige Gerüchte! Zwei Mal mindestens belegt, einmal in einem Interview vom 22. April, einmal im «Standard» vom letzten Freitag, dem 23. November. Stichhaltige Gerüchte!

Geschätzte Hörerinnen und Hörer, diese Kohlblume ist allzu schön, um ungepflückt am Wege stehen zu bleiben. Sie taugt vollständig als Gegenstück zum sozialdemokratischen Medienkonsens, welcher sich eben trotz seinem schlechten Ruf in gewissen Kreisen in der Regel doch auf Fakten und gerne sogar auf Recherchen abstützt – nicht immer, aber seine Gesamtlegitimation bezieht er eindeutig aus hoch tatsachenhaltigen Berichten, welche in der Regel die tatsächlichen Macht­ver­hält­nisse mit Samthandschuhen angehen, aber doch mehr oder weniger verlässlich über Wohl- und Missstände informieren. Der verschwörungstheoretische Rechtsnationalismus dagegen hält sich an «stichhaltige Gerüchte».

Ich will kurz skizzieren, wie man sich ein solches stichhaltiges Gerücht vorstellen muss. Magister Johann Gudenus soll kurz nach Erlangen der vorzeitigen Geschlechtsreife, also im Jahr 1988 im Alter von 12 Jahren, seine Mutter geschändet haben, und seine Schwester und seinen Bruder obendrein. Dafür liegen mir stichhaltige Gerüchte vor, die ich soeben in die Welt gesetzt habe.

Ich kann auch ganz anders. Ich kann nachweisen, dass Johann Gudenus mit Urban Orban gleichgeschlechtlichen Umgang hatte, als dieser mit einem Stipendium von George Soros an irgendeiner Universität in Budapest studierte und im Auftrag ebendieses George Soros den Johann Gudenus anal penetrierte. Den Beleg dafür gebe ich schriftlich: Es sind stichhaltige Gerüchte.

Es ist absolut fantastisch, mit welcher Leichtigkeit diese Herren und Burschen den größten Blumen­kohl aller Zeiten, the biggest cauliflower ever in die Öffentlichkeit ablassen, Hafenkäse, Hirnfraß, doppelter Hirnfraß, schrumpfköpfiger Penispilz, was weiß ich denn alles. Fantastisch ist es vor allem deshalb, weil die Formel «stichhaltige Gerüchte» aus dem Mund eines Juristen, also eines Akademikers nichts anderes bedeutet als das breite Grinsen dessen, der weiß, dass er einen alle Grenzen sprengenden Unsinn erzählt. Die wissen das, zu allem Überfluss, aber sie wissen auch, dass sie damit Wählerstimmen generieren können. Deshalb präsentieren sie den braunen, anti­semi­tischen, stinkenden Blumenkohl mit dem breiten Gelächter und den stichhaltigen Gerüchten. Mehr als solche Anführer kann nicht einmal ich die braune Wählerschaft und die Gefolgschaft solcher Gnome verachten.

Übrigens lacht bei diesen ekligen Figuren auch eine Gestalt aus der Schweiz mit, die in Deutschland nicht ganz unbekannt ist. Roger Köppel war ein paar Jahre lang Chefredakteur der, zwar konservativen, aber in wesentlichen Teilen doch noch dem sozialdemokratische Medienkonsens verpflichteten, also doch noch einigermaßen der Wahrheit verpflichteten Tageszeitung «Die Welt», bevor er zurück in die Schweiz hoppelte und dort die publizistische Leitung der «Weltwoche» übernahm, welche seither zur ukrainischen Fregatte unter dem Banner der stichhaltigen Gerüchte gegen die übermächtige sowjetische Armada des sozialdemokratischen Medienkonsenses anballert. Seine EU-Brühwurst oder sein NATO-Generalsekretär, also seine Geldgeber sind der betagte rechtsnational beseelte Financier Tito Tettamanti sowie der ebenfalls betagte rechtsnational beseelte Multimilliardär, aber meines Wissens Nichtjude Christoph Blocher, für welchen er unterdessen auch ins nationale Parlament eingezogen ist. Roger Köppel ist insofern ein interessanter Fall, weil er lange Jahre sämtliche Anzeichen eines voll funktionierenden Hirns aufwies, unter anderem mit medienkritischen Artikeln, in welchen sein absolut begründetes Unbehagen gegenüber, jawoll: dem sozial­demokratischen Medienkonsens zur vollen Blüte getrieben wurde. Bis es sich dann im Lauf seiner Karriere als «Welt»-Chefredakteur in Blütenkohl verwandelte.

Seit kurzer Zeit ist auch dieser Köppel auf das George-Soros-Mainstream-Thema aufgesprungen und wirft seinen politischen Gegnern, vor allem aber den Gegnerinnen vor, sie würden vom Welt­juden finanziert, ganz im Gegensatz zu ihm, dem nationalen Nationalisten-Kasper, der von einem nationalen Nationalisten-Kasper finanziert wird, wie nicht stichhaltige Gerüchte, sondern offen da liegende Tatsachen belegen. Auch bei ihm, der immer noch aussieht wie ein 12-Jähriger, der aber wie alle Mitglieder der rechtsnationalen SVP eine Ausländerin heiraten musste, in seinem Fall ist es, glaub ich, eine Vietnamesin, fällt das ständige Grinsen im Gesicht auf, das wie bei Gudenus nichts anderes bedeuten kann als die abgrundtiefe Verachtung all jener Geistesgurken, welche den ungeheuren Blödsinn für voll nehmen, den er täglich aus seinen Ventilen presst.



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Albert Jörimann
27.11.2018

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