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Aus neutraler Sicht von Albert Jörimann "Die CDU"

[18.Kalenderwoche] «Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre unfinanzierbar, kaum umsetzbar – und zutiefst unsozial.» So spricht vom Gipfel seiner Lebenserfahrung von 31 Jahren Euer Erfurter SPD-Bundestagsabgeordneter ...

... Carsten Schneider, der sich im Windschatten seines Hubertus-Heil-Kollegen zum haushaltpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion gemausert hat – da steht Euch also noch was bevor – und der natürlich in erster Linie die Chance wittert, dem ungeliebten CDU-Ministerpräsidenten Althaus ans Bein zu treten. Einmal abgesehen davon, dass der Ministerpräsident meines Wissens in Thüringen nicht überall auf Begeisterung stößt, macht er doch mit seinem Modell des Solidarischen Bürgergeldes im Moment Furore, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil er sich mindestens in diesem Bereich getraut, die Scheuklappen abzulegen, aus seinem angestammten Bau rauszukommen und auch mal mit anderen offenen Köpfen zusammen zu arbeiten. Das geht natürlich nicht, weiß der lebenserfahrene Carsten Schneider. Die Partei hat immer recht. Und so plappert er denn halt seine Papageienparteiparolen herunter, gack, gack, gack. Unfinanzierbar. Na logo. Eine Finanzierungslücke von 190 Mrd. Euro im Jahr würde sich auftun, sagt er, allerdings unter Berufung auf den Klassenfeind, nämlich auf die Konrad-Adenauer-Stiftung und auf jene Studie, an der auch Althaus selber mitgewirkt hat – nehme ich mal an, denn eine andere Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ist mir nicht bekannt. Althaus selber aber spricht zusammen mit dem Hamburger Weltwirtschaftsinstitut nicht von Mehrausgaben, sondern von Einsparung von 40 Mrd. Euro mit seinem Modell, was mich übrigens auch nicht erstaunt, denn die in seinem Modell vorgesehenen Zahlungen sind zu niedrig, wie ich hier seit Jahr und Tag betone. Diesen Vorwurf muss er sich gefallen lassen; es handelt sich dabei aber um ein Problem, das relativ rasch gelöst werden kann, sei es im politischen Reifungsprozess des Modells, also beispielsweise in Verhandlungen mit dem Koalitionspartner SPA noch vor der Einführung, oder aber nach der Einführung; wenn das Modell mal steht, ebenso wie erste Erfahrungen, dann kann man sich problemlos dran machen, das Grundeinkommen auf jenen Stand anzuheben, den man wirklich als soziales Existenzminimum bezeichnen könnte. – Aber eben: Der Schneidercarsten sieht da, wo Althaus von 40 Mrd. Euro an Einsparungen spricht, einen Fehlbetrag von EUR 190 Mrd. Er ist offensichtlich einer jener Fachleute, welche die Papiere besser kennen als ihre Verfasser. Da kann man sich ja auf weitere Veröffentlichungen des haushaltpolitischen Sprechers freuen.

Kaum umsetzbar – darüber wollen wir uns hier nicht streiten. Wenn sich ein Konsens findet zwischen der CDU, woher jetzt diese Idee nun mal stammt, und der SPD, dann wird das ruckizucki umgesetzt. Schließlich haben der Schrödergerd und seine Kompagnons seinerzeit auch ruckizucki Hartz IV umgesetzt, wenn ich mich recht erinnere, und wenn ich mich ebenfalls recht erinnere, habe ich schon damals darauf hingewiesen, dass Hartz IV gewisse Ansätze zu einem Grundeinkommen aufwiese, es sei allerdings viel zu tief. Hierin befinden sich somit, Schneidercarsten hin oder her, SPD und CDU nach wie vor in einem tief greifenden Konsens. Das ist wahrscheinlich auch noch eine Motivation Eures Abgeordneten: Vom Hartz-IV-Schlamassel abzulenken ebenso wie vom Verfasser, Peter Hartz selber, dessen Medienbekanntheit in letzter Zeit durch den VW-Skandal auch nicht verbessert wurde. Also hauen wir doch vorsichtshalber mal auf den lokalen Konkurrenten auf Bundesebene; ob es dann stimmt, ist zweitrangig.

Zutiefst unsozial sei das Modell von Althaus. Das ist es nun eben nicht. Es ist einfach zu tief, das steht fest. Aber immerhin entfallen die sozialpolizeilichen Kontrollen und Auflagen, der absurde Sozialversicherugnsbeamtenapparat aus vorkaiserlicher Zeit, es entfallen auch sämtliche Vermögensbeizüge zur Bezugsberechtigung, an die ich mich bei Hartz IV noch schwach erinnere – hat die der zutiefst soziale Carsten Schneider in der Zwischenzeit wieder abgeschafft?

Den Vogel zeigt sich Schneider aber vollends selber mit dem Hinweis, dass Althaus Menschen mit kleinem Einkommen doppelt so stark besteuern wolle wie die Besserverdienenden. Er vergisst einfach den Hinweis darauf, dass das Solidarische Bürgergeld bis zur Höhe von 1600 Euro monatlich pro Person gleichzeitig als so etwas wie eine Steuergutschrift funktioniert – denn das Solidarische Bürgergeld wird nicht besteuert. Wenn ich also beispielsweise gemäß dem Modell Althaus neben dem Solidarischen Bürgergeld noch 400 Euro im Monat verdienen täte, würden mir diese zu 50 Prozent besteuert, also 200 Euro, was heißt, dass ich im Monat auf 1000 Euro Bruttoverdienst 200 Euro Steuern bezahlen täte, macht per Saldo 20 Prozent und damit eindeutig weniger als die Besser Verdienenden. Der Carsten Schneider macht einfach den Mund auf oder verspritzt seine Tinte oder die Druckerschwärze der SPD-Zentrale, ohne sich vorher auch nur einen müden Gedanken gemacht zu haben. Ich sage hierzu nur: Das ist nicht gut. Und dabei lasse ichs bleiben. Wählen bzw. wieder wählen müsst den ja dann letztlich Ihr in Erfurt.

Erschienen ist dieses Textchen von Carsten Schneider im Spiegel als Gastkommentar. Überhaupt gibt es im Moment eine derartige Fülle von Gastkommentaren und anderen Weisheiten zum Grundeinkommen insgesamt und zum Solidarischen Bürgergeld im Speziellen, dass mir daran fast ein wenig die Lust vergeht. Schon in der Bild-Zeitung wurde das Modell Althaus gelobt. Dafür hat sich Nobbi Blüm dagegen ausgesprochen. Wir finden immer kuriosere Verwerfungen in der politischen Landschaft. Der CDU-Ministerpräsident Rüttgers von Nordrhein-Westfalen wirft sich zum Gewerkschaftssprecher auf, wogegen eben unser famoser Schrödergerd als SPD-Kanzler den Großkonzernen Steuergelder dafür nachjagte, dass sie Arbeitsplätze ins Ausland verlagerten – wenn schon ein Schauspiel, so ist Politik gegenwärtig immerhin zum absurden Theater geworden, und ich muss gestehen, dafür habe ich eine gewisse Vorliebe.

Dagegen wachsen mir gegenüber dem anderen, nämlich dem richtigen Theater, nämlich dem Kabarett, wieder gewisse Vorurteile nach, insonderheit was diesen angeblichen und durch eine wirre Haarpracht beweisträchtig demonstrierte Wirrkopf, den Herrn Chefkabarettisten Priol angeht. Am Freitag hatte der wieder mal ne Erscheinung in Ottis Schlachthof im Bayrischen Rundfunk; meiner Treu, es war wie immer: Das Publikum lachte immer schon fünf Minuten, bevor die Pointe gesetzt war. Hach, was ist dieser Mann originell. Vor allem erscheint mir das Herumhacken auf der Politik, und zwar eben im Ernst, als ob da wirklich etwas Reales geschehen würde, unterdessen derart billig, dass ich das politische Kabarett demnächst für noch billiger als die Politik selber erklären werde. Auch hier wieder: Dieser angeblich lustige Priol entblödet sich nicht, immer noch auf der Merkelangela herum zu hacken. Das fasst man mit einem eigenen Kopf nicht.

Dafür habe ich gelesen, dass Toyota jetzt in den USA die erste Stelle unter den Automobilproduzenten eingenommen hat. Jubilate! Die Epoche des Automobilismus ist vorbei. Wenn die Automobilkonzerne in den USA nicht mehr das Wetter bestimmen, sondern höchstens noch das Klima, dann werden wir dies über kurz oder lang auch in Europa merken. Merkelt Euch dies, geschätzte BewohnerInnen Deutschlands, welches seine Arbeitsplatzideologie nach wie vor schwergewichtig auf die Automobilindustrie abstellt. Es ist Sense damit. Das heißt ja noch nicht, dass die Automobile sofort von der Straße verschwinden, leider, oder auch nur, dass die Deutsche Bahn plötzlich zu einem modernen Unternehmen des öffentlichen Verkehrs würde, bewahre. Aber die Basisvoraussetzungen entwickeln sich tatsächlich in Richtung eines fortschrittlichen Fortschrittes, nicht zu einem rückschrittlichen Fortschritt. Das möchte man, wenn er es überhaupt verstehen täte, auch dem Schneidercarsten noch nachtrompeten, der im Spiegel beharrlich behauptet, es gebe genug Arbeit für alle. Naklar, Herr Kollege, aber es bezahlt sie niemand, das ist doch das Problemchen. Abgesehen davon, dass man ja mit einem Grundeinkommen nicht sofort sämtliche Aktivitäten einstellen und sich an eine Herz-Lungen-Bier-Maschine anschließen lassen soll, so war das ja nicht gemeint, sondern gemeint war vielmehr: Grundsätzlich sind die Menschen aktiv, wo nicht sogar hin und wieder kreativ, und diese Aktivitäten können sich auf der Grundlage eines angemessenen Grundeinkommens 1000 Mal besser entfalten als ohne dieses. Deshalb hat nämlich das Grundeinkommen einen, wenn auch bescheidenen, so doch immerhin emanzipatorischen Charakter. Das aber kapiert so ein SPD-Abgeordneter unterdessen schon längstens nicht mehr. Und sagt damit indirekt auch, was er von seiner Wählerschaft hält: Faule Hunde, unfähig, etwas aus eigenem Antrieb zu unternehmen. Dafür sollten sich diese ordentlich bedanken.

Apropos USA: Dort sind die Börsen jetzt wieder im Rekordbereich, wie vor 7 Jahren. Demtensprechend sind alle KommentatorInnen skeptisch, wo nicht pessimistisch, wo nicht sogar verhalten hysterisch. Eigentlich sollte jetzt ja Europa an der Spitze liegen, wo die Konjunktur brummt im gegenläufigen Zyklus zu den USA; trotzdem ist der Privatkonsum in den USA ganz munter, und vor allem Löhne und Beschäftigung weisen immer bessere Werte aus. Die Stimmung unter den Analytikern ist mit anderen Worten durchaus grundverschieden von der effektiven Wirtschaftslage. Offenbar gehorcht auch die Welt der Wirtschaftsnachrichten in der Zwischenzeit den gleichen apokalyptischen Bedürfnissen wie das Klimathema. Daneben stellt sich immerhin die Frage, wie weit der Krieg in Irak und in Afghanistan sich positiv auf die Wirtschaft auswirkt. Ein Krieg ist seit eh und je ein anerkannter Wirtschaftsfaktor, wobei sicher die Verbesserung der Beschäftigungslage in den USA nicht darauf zurückzuführen ist, dass alle Arbeitslosen im Irak erschossen werden; das waren bisher nur um die 3000 tote Amerikaner, und die irakische Bilanz mit was weiß ich wie vielen zehntausend Toten schlägt sich eh nicht im irakischen Bruttoinlandprodukt nieder. Aber für die USA ist sowas trotzdem nicht zu verachten, und so stellt sich effektiv die Frage, ob der absehbare Wahlsieg von Hillary Clinton in eineinhalb Jahren dann wirklich zu einer Wirtschaftskrise führt, wenn die den Krieg stoppt. Aber vielleicht ist die ganze Kriegsmaschine unterdessen doch nicht mehr so dominant wie früher, ähnlich wie die Automobilindustrie. Eben: Es entwickelt sich nicht immer alles zum Schlechten. Zur Not gibt’s ja noch die CDU.

Albert Jörimann





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07.05.2007

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