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Aus neutraler Sicht von Albert Jörimann "Filterkaffee"

[37.Kalenderwoche] Am Samstag warn wir mal wieder bei Schwiegermuttern. In deren Küche lebt ein ausgewachsenes Exemplar der Gattung Kaffeemaschine, sodass ich die Einladung auf eine Tasse Kaffee durchaus nicht ...

... ausschlug. Offenbar war Frau Schwiegermutter aber in Eile, was ich mir übrigens durchaus nicht erklären kann, denn Schwiegermütter haben von Natur aus Zeit in Hülle und Fülle, aber auf jeden Fall setzte sie nicht die Kaffeemaschine in Gang, sondern bastelte einen Instant- oder Sofort- oder Pulverkaffee, den ich auch trank ohne aufzumucken, denn Frau Schwiegermutter unterscheidet nicht zwischen Kaffee und Sofortkaffee, und im Gegensatz zu einer eigenen Mutter kann man bei Schwiegermüttern nicht auf eine Tradition des Widersprechens zurückgreifen, ich meine, zumindest ich kann das im vorliegenden Falle nicht, und man lässt sowieso möglichst am besten alles so, wies ist, sonst gibt’s Ärger. Noch beim Trinken spürte ich, wie das Säure/Basen-Gleichgewicht in meinem Magen aufwallte und kippte, die Speiseröhre klammerte sich Hilfe suchend an die Luftröhre, also gut, eigentlich wars nicht so schlimm, aber schlimm genug wars anderseits auch wieder, und wenn ich wüsste, wieso der 12-Finger-Darm so heißt, wie er heißt (ich selber kenne nämlich niemanden mit 12 Fingern, wogegen es eine uralte Diskussion gibt darüber, was älter sei, das 12-er System oder das Dezimalsystem, in welche seit zwanzig Jahren die Artillerie des Binärsystems beziehungsweise des Hexadezimalsystems gewaltige Breschen geschlagen hat, aber das gehört ja eigentlich nicht hierher), dann wäre mir in der Frage immer noch nicht geholfen, jedenfalls wars mir im Magen sauer und basisch zugleich und eben auch im 12-Finger-Darm, was wirklich ein blöder Name ist für ein Körperorgan. Zugegeben: Der menschliche Darm ist etwa 6 Meter lang, da muss man die einzelnen Abteilungen schon voneinander unterscheiden, aber deswegen gleich 12 Finger? 13 Zehen gefällig? Oder wie wärs mit dem Pi-Kniescheiben-Darm? Nein, ich halte dieses Vorgehen der Anatomie, die einzelnen Körperteile mit verulkten Namen anderer Körperteile zu bezeichnen, für höchst fragwürdig. Das ist übrigens ein Vorteil des Eindringens des Englischen in die deutsche Sprache, dort heißt er nämlich Duodenum. Das ist zwar Lateinisch, aber tut nichts zur Sache. Auch die Tatsache, dass sich die Bezeichnung auf das alte Längenmaß eines Fingers bezieht, tut nichts zur Sache. Einen Finger kann ich mir sowieso nicht als Längenmaß vorstellen, sondern nur als Mengenmaß: Wenn ich sage, ich möchte einen Finger breit oder hoch Wodka, meine ich damit rund einen halben Liter. Zwölf Finger gleich 6 Liter Wodka, so siehts aus, und mit solchen Vorstellungen vermag ich dann meinen Magen wieder etwas zu besänftigen. Jedenfalls entfernten wir uns dann vom Tisch der Schwiegermutter und suchten ein Lokal auf, in dem es halbwegs anständigen Kaffee gibt, was übrigens auch im ansonsten gründlich multikulturell durchsetzten Zürich noch nicht überall selbstverständlich ist. Übrigens ist bezüglich des Kaffees die Wiedergutmachung nicht so einfach; ich kann ja nicht zum Ausgleich für einen solchen Duodez-Sofortkaffee einfach zwölf normale, anständige italienische Kaffees drüber gießen, das wäre auch wieder doof. Anständige italienische Kaffees übrigens, also nicht die Lokale, sondern den so genannten Caffé, gibt es in ganz Zürich keinen einzigen. Das ist einerseits schade, denn ein solcher Caffé ist wie ein Generalablass für sämtliche Unzulänglichkeiten der Welt und insbesondere des Staates, des Arbeitgebers, des Finanzamtes, der Müllabfuhr, der Polizei, der Schlaglöcher, der Wasserversorgung usw. usf.; das ist allerdings auch der Grund dafür, dass es ihn nur in Italien gibt, denn der Italiener braucht so was dringend und mindestens ein Dutzend Mal pro Tag. Umgekehrt entfällt damit der Anreiz, all diese Missstände halbwegs zu beheben, weshalb man davon ausgehen kann, dass in Ländern mit Filterkaffee die Infrastrukturen und die Wirtschaft besser sein müssen als eben in Italien. Dabei darf man nicht vergessen, dass es unserem Schweizer Nahrungsmittelmulti Nestlé gelungen ist, mit seinem Nespresso halbwegs an das Vorbild eines italienischen Caffé heranzukommen; dementsprechend macht Nestlé damit auch ein Schweinegeld, und trotzdem ist der Nespresso gut, abgesehen davon, dass sogar George Clooney dafür Werbung macht, und das will ja auch etwas heißen, denn George Clooney ist ein Mann, der seiner Schwiegermutter mit einem gewinnenden Lächeln sagen würde: Bitte, Mama, wirf doch die Kaffeemaschine an, mir schlägt dieser Instantkaffee aufs Gemüt.

Also saßen wir dann in diesem anderen Lokal vor einer Tasse Kaffee, zwar nicht einem Caffé-Äquivalent und also auch nicht vor einem Nespresso, den man in einem normalen Wirtshaus vermutlich gar nicht verkaufen könnte, weil er einfach zu teuer ist schon in der Beschaffung, aber eben, es gibt ja auch noch halbwegs aromatischen Kaffee außerhalb dieser Sonderkaffeezone. Dabei blubberte der Magen immer noch etwas nach von der Instantstörung. Dass Frau Schwiegermutter diesen Unterschied nicht realisiert, muss wohl damit zusammenhängen, dass der Begriff stärker ist als die Sache selber. Wenn es im Hirn oben heißt: Jetzt kommt ein Kaffee!, dann ist die Sache mehr oder weniger schon gegessen oder getrunken, man kann dann unten auch einen Automatenaufguss nachreichen, kommt nicht mehr drauf an, es ist wohl etwa so wie das Aufstehen am Morgen, denn Morgen ist es ja auch alle Tage, unabhängig davon, ob die Sonne scheint oder ob es regnet und ob der Tag um 4 Uhr morgens dämmert oder erst um 7 Uhr 30. Da gilt vor allem für Menschen, die sich nicht alllzu viele Gedanken machen über den Kaffee oder einfach keinen trinken. Für unsereinen dagegen bildet der Kaffee beziehungsweise seine Güte einen tragenden Pfeiler eines durchschnittlichen Tages. Deshalb haben wir Deutschland lange rechts oder links liegen gelassen trotz seinen Infrastrukturen und seiner schönen Weltwirtschaft. Wenigstens wissen wir unterdessen, wo es in Erfurt anständigen Kaffee gibt mit der richtigen Stärke und einer wunderbaren Crema. Dabei wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass sich das Regierungszentrum des Filterkaffee-Königreichs Jacobs bis vor 20 Jahren in der Schweiz befand, bevor Klaus Jacobs die Brühe an den amerikanischen Mischkonzern Philip Morris verkaufte, wo die Nahrungsmittelabteilung Kraft Jacobs Suchard die Zigarettenaktivitäten ideal ergänzten. Philip Morris bzw. Altria, wie der Konzern hieß, vermochte vor einem Jahr mit knapper Not eine Klage von Lungenkrebsopfern und des US-amerikanischen Justizdepartements abzuschmettern, ein Glück für den Tabakkonzern in diesen unglücklichen Zeiten für die Tabakindustrie, und hat anschliessend Kraft Foods, wie die Nahrungsmittelabteilung unterdessen heisst, abgetrennt. Immerhin: Kaffee und Zigaretten, das passt durchaus zusammen. Klaus Jacobs aber ist unterdessen zum europäischen König der Zeitarbeit geworden mit seinem besonders in Frankreich sehr aktiven Arbeitsvermittler Adecco. Kaffee und Arbeit, das passt ebenfalls gut zusammen. Wahrscheinlich hängt die Wirksamkeit des Kaffeebegriffs bzw. des Begriffs Kaffee sehr eng mit der Arbeit zusammen, wo Kaffee nicht denkbar wäre ohne seinen Zwilling Pause. Eine Kaffeepause kann man ein Leben lang auch mit Filterkaffee bestreiten. Anderseits ist ein Wirtschaftswachstum nur aus Kaffeepausen nicht denkbar. Aber eben –

Der Tag hing wegen des Instantkaffees von Frau Schwiegermutter etwas in Schieflage, und der Kaffee im Espressino im Zürcher Hauptbahnhof vemochte ihn nur ungenau wieder zurecht zu rücken. Dafür erfreute mich das T-Shirt einer mir schräg gegenüber sitzenden blonden Frau, denn justament über ihr Brüstepaar, das ich im übrigen weder loben noch kritisieren möchte, spannte sich die schöne Aufschrift: «Ich denke.» Das hat mir gut gefallen als durchaus gewagte Form des Spiels mit dem Feuer der Wahrheit respektive als durchaus gewagte Form eines völlig neuen Blondinenwitzes. Wenn das so weiter geht, legen sich blonde Frauen in Zukunft ein Amulett ins Dekolleté mit einem ganz besonders gewagten Gedanken drin, womöglich noch aus eigener Zervofaktur. Dabei mag ich eigentlich Blondinenwitze gar nicht ausstehen; aber wenn sie mir von blonden Frauen höchstselbst präsentiert werden, was will ich machen. Übrigens fiel mir noch die Frisur selber auf, nämlich war das Haar aus einem Seitenscheitel drei Finger hoch steil in die Höhe gekämmt, bevor es sich dann über die Schädeldecke neigte, irgendwo hab ich sowas schon gesehen, bei Brigitte Nielsen oder bei Eva Hermann oder ähnlich.

Jaja, Kaffeetrinker habens lustig in der Schweiz. Zusätzlich für Erheiterung sorgte letzte Woche wieder mal der US-Präsident Wilhelm Busch mit dem Scherz, dass es sich wieder mal gezeigt habe, dass die US-Militärpräsenz im Irak unerläßlich sei wegen der Al Kaida. Dabei gibt es doch eine Al Kaida im Irak überhaupt nur wegen der US-Militärinvasion, Dummerchen! Es ist wirklich eigenartig, welche Personalentscheidungen die konservativen Kräfte in den USA treffen. Vielleicht hat das damit zu tun, dass man in den USA letztlich eine Abneigung hat gegenüber starken Männern in Führungspositionen. Das wäre an und für sich noch nicht mal so unsympathisch. Aber dass es dann gerade ein derart unterbelichtetes Exemplar sein muss... Immerhin relativiert George W. Bush sämtliche Blondinenwitze der ganzen Welt. – Und dann habe ich auch noch gekichert über die verschiedenen Versuche eures Prachtsministers Schäuble und seiner Medien, aus den aufgeflogenen Terrorplänen von deutschen Islamkonvertiten Kapital zu schlagen und die Bespitzelung bis auf die Unterhosen voranzutreiben. Furchtbar, mit welcher Leichtigkeit sich diese Terroristen bewegen und ihre Anschlagschemikalien beschaffen konnten, hieß es irgendwo; dass aber sämtliche Schritte von Anfang an unter Polizeiüberwachung erfolgten und dass besagte Polizei sogar das Wasserstoffperoxid verdünnte, ging irgendwie vergessen. Das ist schon ulkig, wie da eine rundum geglückte Abwehraktion zum Beweis dafür umgedreht wird, dass sie im Prinzip völlig gescheitert ist, weil die Mittel nicht ausreichen.

Im Übrigen kann man sich ja nur schlecht gegen die immer weiter reichende staatliche Überwachung zur Wehr setzen. Der Terror befindet sich mitten unter uns. Auffällig ist nur, dass es bei dieser Überwachung eigenartige Lücken gibt, zum Beispiel bei Finanztransaktionen und im Steuerbereich. Aber dafür ist der bürgerliche Staat ja auch nicht geschaffen worden, bekanntlich, und dafür wird sich der rollende Innenminister auch nicht weiter einsetzen. Und dass es die sozialdemokratischen Finanzminister ebenfalls nicht packen, nicht erst seit Gerhard Schröder, ist auch nicht besonders neu. Aber wie heißts doch immer wieder: Am Grunde der Moldau wandern die Steine, und das wird wohl auch heute noch so sein.



Albert Jörimann





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11.09.2007

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