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Aus neutraler Sicht von Albert Jörimann "Gazprom"

[02.Kalenderwoche] Den Cleveren gehört die Welt und jenen, die sich nicht allzu stark um Wertesysteme aus einer untergegangenen Zeit kümmern. Ob man sich dann als ehemaliger Atomstromgegner gerade einer Atomstromproduzentin ...

... andienen muss wie der grüne Fettsack Rezzo Schlauch, ist nicht ungewiss, sondern es ist ganz sicher: Da hat jemand nicht einfach ein Wertesystem über Bord geworfen, sondern sich selbst und seine Prinzipien ebenso wie jene der Partei verraten, auch wenn der Schlauchrezzo dreist das Gegenteil behauptet und sagt, er wolle in diesem famosen Beirat weiter gegen den Atomstrom kämpfen. Da machen wir jetzt nicht mal mehr Scherze drüber, das ist einfach ein prinzipienloser Saukerl, gegenüber dem uns sämtliche Vorstandsmitglieder sämtlicher Atomkraftwerke bedeutend sympathischer sind. Übrigens erinnert mich dies daran, dass Schweden im Jahr 2006 um zirka 20 Minuten an einer Atomkraftwerkexplosion vorbeigeschrammt ist. Ein Unfall wars so oder so, wie er eben auch in anderen AKW regelmäßig auftritt, aber gerade noch 20 Minuten bis zur Explosion – das ist derart schauerlich, dass wirs lieber nicht richtig zur Kenntnis nehmen und weiter Tee kochen, bis dann halt der nächste Meiler mal wirklich in die Luft fliegt. – Jawohl, Tee kochen! Teekochen braucht am meisten Atomstrom!, damit dies auch wieder mal gesagt ist. – Ein in anderer Art und Weise spektakulärer Fall ist Euer ehemaliger Bundeskanzler, der Prototyp des neuen SPD-Politikers Gerhard Schröder, dessen Laufbahn vom Jungsozialisten zum Gazprom-Vorstandsmitglied anders als viele andere Lebensläufe keinen einzigen Knick aufweist. So geht das auf dieser Welt; die Sozialdemokratie bzw. deren Leithammel fahren die Pfründe des sozialdemokratischen Jahrhunderts ein und verlangen von den Arbeitslosen, dass sie sich rasieren und parfümieren sollen, ansonsten sich kein gestandener Sozialdemokrat mehr in ihre Niederungen begeben wird, gedanklich, meine ich. Ich richte hier gleichzeitig meine Beileidstelegramme an all jene Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei, welche in diesem Verein sind aufgrund deren traditioneller Ausrichtung auf die Interessen der Arbeitnehmenden und überhaupt der breiten Mehrheit der Bevölkerung und damit auch der demokratischen Werte – tut mir leid, meine Damen und Herren, mit der Aufhebung der industriellen Produktion durch die Vollautomation hat sich auch die SPD-Spitze von ihrer fluguntüchtigen Basis tüchtig emanzipiert.

Aber bleiben wir doch einen Moment beim fünffingrigen Gerd, also ich meine, er hat pro Hand fünf Finger, nicht insgesamt, beziehungsweise bei seinem neuen Steckenpferd Gazprom. Ihr habt ja sicher mitbekommen, dass sich dieses hübsche Unternehmen vor einer Woche die weißrussischen Gaspipelines gesichert hat durch eine einfache Drohung mit Preiserhöhungen um das Vierfache, worauf die Weißrussen einknickten. Jetzt gehören halt diese Pipelines eben der Gazprom, und die Weißrussen müssen dafür fürs Erdgas nur doppelt soviel bezahlen wie bisher. Alles ganz wunderbar, vor allem, weil doch Weißrussland bisher zu den gehätschelten Verbündeten von Väterchen Putin zählt, und Putin ist ja der unsichtbare Oberherr über sämtliche russischen Unternehmen, Putin ist also auch der Vater von Schröder. Vielleicht noch hübscher ist der andere Fall, wo Gazprom die Kontrolle über das Sachalin-2-Projekt im östlichen Osten bzw. an der pazifischen Ostküste von Russland sich unter die Nägel gerissen hat. Dieses Projekt wurde ursprünglich von Royal Dutch Shell zusammen mit den japanischen Unternehmen Mitsui und Mitsubishi aufgegleist, na ja, Sachalin ist halt wirklich sehr nahe bei Japan. Man hat den Braten aber schon vor einem Jahr gerochen, als das russische Umweltministerium, von dessen Existenz man bis dahin nicht einmal gewusst hatte, plötzlich Auflagen zu machen begann für das Projekt Sachalin 2. Die Wasserreserven seien bedroht. Man weiß es ja nicht, vielleicht stimmten die Vorwürfe sogar zu einem kleinen Teil, die Erdölunternehmen sind ja nicht alle als Pioniere des Umweltschutzes bekannt, auch wenn sich einige jetzt so gerieren wie z.B. British Petroleum, denen man vielleicht auch mal ein kleines Feuer unter der PR-Abteilung entfachen sollte. Wie auch immer: Die Umweltargumente waren von allem Anfang an klar und eindeutig vorgeschoben, bis dann Ende des lezten Jahres Gazprom die Hälfte des Projektes plus eine Aktie erhielt, und zwar zum Preis von 7.45 Mrd. US-Dollar. Das sind knapp die Kosten, welche das japanisch/niederländische Konsortium bisher aufgewendet hat. Der Wert dieses Anteils wird beim aktuellen Projektstand so auf die USD 10 Mrd. geschätzt. Gazprom bzw. Putins Regierung haben also dieses Konsortium schon mal um 2.5 Mrd. USD geprellt; daneben verfügen sie jetzt über die Projektkontrolle, und wenn der Putin mal nicht genügend Vitamine hat zum Einschlafen, wird er sicher irgend ein Ministerium anweisen, die Westler noch ein bisschen zu schröpfen.

Meine Damen und Herren, let me introduce to you: Gerhard Schröder! Er hat zweifellos auf das richtige Pferd gesetzt, nämlich auf den grössten Raubritter und gleichzeitig und beiläufig international anerkannten Mörder Vladimir Putin. Die richtigen Freunde muss man haben, ganz eindeutig.

Und jetzt kehren wir die Argumentation um: Was soll das Geflenne. Hier geht es darum, wer die Bodenschätze in Russland zu welchen Konditionen ausbeutet. Soll Russland es etwa Nigeria gleichtun? Oder dem Irak? Geschätzte Hörerinnen und Hörer, ich kann nur sagen: Putin bzw. Gazprom tun das einzig Richtige in dieser Situation, sagen wir mal unter der Voraussetzung, dass sie diese Erträge dann auch halbwegs in die Entwicklung der russischen Infrastrukturen stecken. Und davon gehe ich zugunsten des Angeklagten, den ich auch gleich vorverurteilt habe, nun mal aus. Nicht wirklich befriedigend ist der offene Raubzugcharakter des Vorgehens; aber man muss natürlich schon auch den Kopf schütteln über die Naivität von Royal Dutch Shell und der beiden japanischen Partner, welche offenbar glaubten, Moskau sei weit entfernt genug, um im Pazifik von Putin und Gazprom unbehelligt nach Erdöl und Gas schürfen zu können. So ist es nicht. Aber wir wissens ja auch nicht: Vielleicht haben diese Partner ja mit den entsprechenden Schritten trotz allem bereits gerechnet. Hübsch ist das, wie gesagt, überhaupt nicht in einer Welt, wo immer noch alle dergleichen tun, als würde das alte lateinische Wort «Pacta sunt servanda» auf allen Ebenen grundsätzlich gelten. Und trotzdem würde man sich beispielsweise in Nigeria wünschen, dass die nigerianische Regierung auch nur die Hälfte ihrer Anstrengungen auf das effiziente Aussaugen der internationalen Erdölaussauger konzentrieren würde, sei es durch Verstaatlichung oder eben durch solch wunderbare Schachzüge wie vom Kollega Putin. Aber der Unterschied zwischen Nigeria und Russland liegt schon genau in solchen Punkten. Die nigerianische Regierung kann man mit ein paar Millionen Franken in den Sack stecken. Putin nicht. Und das ist gut so, nämlich für Putin und Russland. Schlecht ists für Nigeria.

Dass der Schrödergerd solche Überlegungen unter seiner Perücke führt, nehme ich dann anderseits nicht an; und den Mord an der Politowskaja hättte der Putin sich ersparen können, während mir der übergelaufene russische Plutoniumagent eher skurril vorkommt und ansonsten ebenso egal ist, wie er dies für den Rest der Menschheit sein muss; Geheimagenten werden nicht zufälligerweise mit dem Doppelnull bezeichnet, wie es auf Klotüren prangt.

Und dann ist noch nachzutragen, dass bei Gerhard Schröder die Karriere immerhin umgekehrt verläuft als wie beim US-amerikanischen Präsidenten, der doch bekanntlich vor seiner Politikkarriere bzw. jener seines Vaters die kleine Erdölgesellschaft Harken ruiniert hat.

Was wird wohl Angela Merken nach Ablauf ihrer Amtszeit für einen Job erhalten? Ich habe keine Ahnung. Für Männerfreundschaften ist sie nicht so gut tauglich wie ihr Vorgänger, so dass uns nichts anderes übrig bleibt, auf einen Wahlsieg von Hillary Clinton zu hoffen im November 2008, wobei die Steckenpferder der Clintons natürlich nicht so dramatisch im Energiesektor herumhoppeln wie dem Putin seine Gazprom. Ich glaube aber, dass Frau Merkel gar nicht ins Ausland gehen wird, sondern still in der Partei und im Land weiter wirkt. Ihre Programmstunde hat bisher ja noch gar nicht geschlagen, mindestens ist mir nichts von einem Programm bekannt.


Muss ja auch nicht jeder haben. Manchmal ist es interessanter, die kleinen Sachen des Lebens zu betrachten. So hat zum Beispiel die unterdessen weltweit grösste Rückversicherungsunternehmung Swiss Re vor einer Woche ihren MitarbeiterInnen Entschädigungen von bis zu 5000 Franken geboten, wenn sie einen Beitrag zum Umweltschutz leisten, nämlich indem sie entweder ein Hybridauto kaufen oder aber auf die Bahn umsteigen. Mit dieser Massnahme soll der persönliche CO2-Ausstoß der Mitarbeitenden gesenkt werden. Völlig klar, dass es sich hier um einen Propagandaschritt handelt, der praktisch nichts kostet, nämlich 5-10 Mio. Franken; aber immerhin sind die Rückversicherer mit Sicherheit jene Unternehmen, welche auf die verschiedenen System- und Umweltschäden am sensibelsten reagieren. Insofern erfolgt die Propaganda hier ausnahmsweise mal am richtigen Ort. Abgesehen davon nützen Propagandaaktionen auch tatsächlich. Meines Wissens hat sich beispielsweise die Gefahr des Ozonlochs drastisch verringert, weil effektiv innerhalb von rund 20 Jahren die Fluorkohlenwasserstoffe aus der Produktion weit gehend verschwunden sind. Es hat ziemlich lange gedauert, zugegeben, und vor allem wäre es kaum dazu gekommen, wenn nicht einige prinzipienfeste und besorgte Menschen lautstark auf das Problem aufmerksam gemacht hätten; aber die Bedrohung scheint wirklich nachgelassen zu haben, ähnlich wie beim Wasser, wo es ja dank umfangreichen Schutz- und Kläranlagen ebenfalls gelungen ist, mindestens in den entwickelten Ländern die Seen und Flüsse von Kloaken wieder in richtig brauchbare Gewässer umzuwandeln. Dafür bestehen jetzt natürlich Probleme in Indien und China und anderswo; aber auch dort wird es nicht so furchtbar lange dauern, bis über den Druck der internatioinalen Märkte einerseits, die Geld versprechenden Wasseraufarbeitungstechnologien anderseits die begangenen Schäden repariert werden. So hat die Welt wieder den Beweis dafür, dass es sogar einen umweltverträglichen Kapitalismus gibt.

Umweltverträglicher Kapitalismus? Schwachsinn. Der Kapitalismus existiert bekanntlich nicht mehr. Bloß das System bzw. die entsprechenden Machtkonstellationen haben sich gehalten. Das bedeutet aber nicht, dass deswegen zwingend die Welt untergehen und die Menschen verhungern oder allesamt im Gefängnis landen müssen. Dies ist eine wichtige und völlig neue Erkenntnis für all jene, welche immer noch dem Satz von Adorno nachhängen, wonach es kein richtiges Leben im falschen gebe. Der Satz für sich stimmt übrigens, nur wird er immer falsch interpretiert. Korrekt heißt er: Es gibt kein falsches Leben. Wir haben kein anderes Leben als das eine jetzige, und es ist unsere Verpflichtung, daraus das Beste zu machen, eine jede für sich.

Albert Jörimann
09.01.2007

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