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Aus neutraler Sicht von Albert Jörimann "Gerald Ford"

[05.Kalenderwoche] Auch amerikanische Präsidenten beißen ins Gras, früher oder später, bei einigen würde man sich wünschen, dass es doch früher gewesen wäre oder dass sie gar nicht geboren worden wären oder aber dass ...

... sie mindestens der gleichgeschlechtlichen Liebe ihres Lebens begegnet wären und so vor diesem furchtbaren Fehler abgehalten worden wären. Die Welt wäre friedlicher, würde uns jetzt Angela Merkel oder Pastor Fliege oder Jürg Hahne sagen, wenn George W. Bush auf einem Brokeback Mounten säße und mit seinem Freund und Schafhirten nicht die Schäfchen, sondern die Sterne zählen und ausmessen würde. Stattdessen bietet er uns die jedes Mal aufs neue empörende Parodie eines führungsstarken Präsidenten, dessen Führungsqualitäten sich offen ersichtlich darauf beschränken, dass er die zwanzig Meter zwischen der Tür, aus den ihn das Amtshaus jeweils ausspruckt, bis zum Rednerpult jungdynamisch und höchst fokussiert zurücklegt, elastisch federnd schreitend. Mann, wann torkelt uns endlich mal ein bekiffter und verstrubbelter Präsident an die Mikrofone. Wir werdens kaum mehr erleben.

Das wäre nur einer von unzähligen weiteren Vorteilen der gleichgeschlechtlichen Liebe, aber unabhängig davon schlägt die letzte Stunde sowohl für Homosexuelle als auch für Heterosexuelle, und, wie gesagt, auch US-amerikanische Präsidenten beißen ins Gras jener Prärie, über die sie filmehalber ein halbes Jahrhundert gedonnert sind. Wer erinnert sich nicht an das peinliche Schauspiel, als hinter dem Sarg des Alzheimerpatienten Ronald Reagan seine beiden Leibpferde her zogen, nämlich ein aufgetakeltes bzw. aufgezäumtes und gesatteltes Filmpferd, von dessen Flanken die beiden Stiefel von Ronnieboy baumelten, und dahinter sein Nancypferd, das war wirklich zum Wiehern, und damit ist auch von diesem Toten alles Gute gesagt, was es dazu zu sagen gibt. Vor ein paar Tagen hat es einen seiner Vorgänger dahingerafft, den Gerald Ford, an den man sich ja nur deswegen erinnert, weil er den Zwangsrücktritt seines Vorgängers Nixon antrat; ansonsten ist mir von ihm, bei Gott, noch nicht mal was negatives in Erinnerung jenseits der Tatsache, dass er eben US-amerikanischer Präsident war. Und trotzdem löst er eine ganze Assoziationskette aus, nämlich im Zusammenhang mit den immer impertinenteren Vergleichen des Irakkriegs mit dem Vietnamkrieg der sechziger und anfangs der siebziger Jahre, welchen der Republikaner Nixon dann doch die Einsicht hatte zu beenden, nachdem ihn seine demokratischen Vorgänger, allen voran die Lichtgestalt John Fitzgerald Kennedy begonnen hatten. Um hier auch wieder mal das Gleichgewicht des Schreckens zwischen Republikanern und Demokraten etwas ins richtige Licht zu rücken. Aber immerhin stand am Schluss Richard Nixon als Velierer dieses Krieges dar und wurde sicher auch wegen des Vietnamdebakels aus dem Amt entfernt, bevor dann sein Stellvertreter Gerald Ford definitiv abgewählt wurde, und so etwas ähnliches zeichnet sich doch jetzt auch wieder ab in den Vereinigten Staaten, nämlich dass die Nachfolge des Hampelmannes George W. Bush nicht ein Republikaner, sondern ein Demokrat und, so Gott will, sogar eine Demokratin antritt; nachdem auf George Bush Senior der jugendliche Bill Clinton gefolgt war, der seinerseits von Georges Sohn George W. Bush abgelöst wurde, kommt jetzt Bill Clintons Ehefrau Hillary auf den Präsidentinnenstuhl. Das ist schön, und die logische Fortsetzung hierfür wäre nun nicht, dass nach Hillary dann Jeb Bush kommt, der Bruder von George W. Bush, sondern eigentlich müsste dann die Mutter kommen, die hieß doch Barbara, wenn es mir recht ist, und der könnte man dann auch wieder so feine Texte einspeichern wie jetzt dem George W. Bush und vorher dem Ronald Reagan. Die Zukunft der Demokratie ist gesichert, mindestens in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Aber eigentlich wollte ich auf den Verlauf der Präsidentschaft nach dem Vietnamkrieg verweisen, der uns möglicherweise demnächst nach dem Irakkrieg bevorsteht, außer es gelänge George W. Bush noch rechtzeitig vor den Wahlen, den gesamten Mittleren Osten voll und ganz in Brand zu versetzen, zum Beispiel durch einen Angriff auf den Iran, was dann möglicherweise jegliche Präsidentschaft in den Vereinigten Staaten auf mittlere Frist hinaus völlig unmöglich machen könnte. Nehmen wir mal an, dass ihm dieser letzte Beweis von Führungsqualitäten nicht mehr gelingt, so dass also die Demokraten in den Vereinigten Staaten wieder das Szepter übernehmen, wie dies ja damals mit Jimmy Carter der Fall war. Was war aber die Konsequenz von Jimmy Carter? Die Konsequenz von Jimmy Carter hieß ganz eindeutig Ronald Reagan, die größte Alzheimer-Sprechpuppe, welche die Welt je gesehen hat, die ihre Schwüre und Ansprachen in der Regel bereits vergessen hatte, bevor sie sie geleistet oder gehalten hatte. Roland Reagan war zweifellos vom gleichen Kaliber wie Harald Juhnke, der zwar noch auf der Bühne, aber nirgend mehr sonst eine Performance erbringen konnte. Und sowas kommt nun also auch nach 4 Jahren demokratischer Präsidentschaft wieder auf uns zu. Sofort, nachdem die Kriegsbegeisterung in den Vereinigten Staaten sich so weit abgekühlt hat, dass ein nicht besonders waffenvernarrter Präsident oder eine nicht besonders kriegstreiberische Präsidentin gewählt wird, beginnt die Waffenlobby schon wieder mit dem Aufbau der nächsten Kriegspopanzfigur, und so kann man die Weltpolitik in den entsprechenden Zyklen bereits jetzt vorhersagen.

Hach. Jetzt ists wieder mal raus. Seine antiamerikanischen Pulsionen muss man zwischendurch auch mal los werden, sonst leiden verschiedene innere Organe darunter. Daneben verweise ich auf die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten nach wie vor ein großes Land sind, das man im eigenen Interesse nicht auf George W. Bush oder Hillary Clinton reduziert, auch wenn dies die stachelige Außensicht der Dinge ist, ganz selbstverständlich. Daneben sind die Entwicklungen bei der allgemeinen Gemütsverfassung des US-amerikanischen Volkes nach wie vor maßgeblich für die Entwicklung im Rest der Welt, und sei es eben nur auf dem Umweg über die US-amerikanische Außenpolitik. Aber was soll denn die US-Amerikanerinnen und –amerikaner davon abhalten, irgendwann mal in absehbarer Zukunft auch wieder mal einen Ruck nach vorne zu tätigen? Vielleicht kann man sie darin ja von außen auch etwas ermutigen. Zum Beispiel könnte man doch endlich mal darauf hinweisen, dass der Großteil der schwarzen Musik- und Rapperszene, mindestens soweit sie in Europa ersichtlich ist, grundsätzlich nicht besondere Fortschritte beinhaltet, weder für die Stellung der Schwarzen in den USA noch überhaupt. Zwar prahlen die ungefähr im gleichen Ausmaß mit ihren Pistolen und Gewehren wie die eher weiße und rechtslastige National Rifles Association, aber daneben beschränkt sich das gefühlte intellektuelle Potenzial auf Hodensackrütteln und das Herausstoßen der Worte Motherfucker und Gangster. Mir reicht das nicht, umso mehr, als ja das musikalische Element bei den Raps schon völlig verschwunden ist und eben nur noch vom leider Text neben einem alles überdröhnenden Rhythmus lebt, den nicht nur ich im Verdacht einer idealen Begleitmusik für sämtliche Kriegsereignisse habe – letzthin habe ich sogar bei den Simpsons eine entsprechende Serie gesehen. Wenn es nach mir ginge, würde ich den Schwarzen in Amerika empfehlen, massenhaft in die mit teuren Geldern unterhaltenen Opernhäuser zu strömen oder aber sich von Mahler und Bruckner gleiche alle Symphonien hintereinander reinzuziehen, oh yea, man. Und anschließend darf meinetwegen auch geschossen werden, nämlich in die Luft, wenn man mal einen besonders intelligenten Gedanken gehabt hat. Hierfür wird allerdings nicht das eigene Urteil ausreichen, sondern hierfür gibt es einen Intelligenzrat, welcher die Gedanken beurteilt und gewichtet und dann zum Schuss freigibt. Ich glaube, es würden mindestens in der ersten Phase nicht so überwältigend viele Schüsse fallen.

Unter uns gesagt, auch in Europa ist nicht damit zu rechnen, dass eine wilde Schießerei losgehen würde, wenn jedesmal eine Pumpgun abgefeuert würde, wenn mal eine blitzgescheite Idee daher kommt. Ich fürchte, wir leben in einem etwas ideenarmen Zeitalter. Das stört mich aber nicht besonders, da ich davon ausgehe, dass es so etwas immer wieder mal gibt in der Geschichte. Die Menschheit in den entwickelten Ländern befindet sich in so etwas wie einem geistigen Winterschlaf. Dazu gehört ja sicher auch, dass man sich an die nach wie vor zunehmende Überflutung durch dumme und immer dümmere TV-Sendungen und an die Inflation von Blogs und solchen Dingen auch erst mal gewöhnen muss, bevor aus einem dann wieder so ein richtig origineller moderner Mensch wird. Aber zu der Feststellung einer etwas ideenarmen Zeit gehört ja auch die Unterstellung, dass es überhaupt noch Zeiten geben werde mit einem Ideenüberschuss. Dies könnte angesichts der gleichen Reiz- und Kommunikationsüberflutung durchaus eine romantische Vorstellung sein. Vielleicht sieht die moderne Gesellschaft am Schluss so aus, dass wirklich jede und jeder seiner Wege geht. Für die Herstellung der zum Leben notwendigen Güter bzw. des lebensnotwendigen Luxus ist ja grundsätzlich gesorgt, also kann man sich auf das kaprizieren, was einem gerade beifällt. Und da gibt es weiß Gott genug Marotten und Spezialgebiete. Schaut Euch nur mal im Sender Pro 7 die Reihe Galileo Mystery an. Galileo ist dort übrigens die Wissenschaftsreihe. Also, Wissenschaft Mystery. Ist das nicht fabulös? Und so werden wir alle wirklich auch in Zukunft ausreichend zu lachen und zu schießen haben, wie diese berühmte Münchner Institution ja schon lange heißt.


Albert Jörimann
01.02.2007

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