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"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Linksfernsehen

Wie viele Magazine mit dem Namen «People» es gibt, weiß ich nicht, ich kann nur raten: Zirka sieben Milliarden? Möglicherweise etwas weniger. Eines davon jedenfalls, das unter diesem Namen auf dem Internet herum reitet, also peoples.com, bietet neben Entertainment, Royals und Lifestyle auch News, die wiederum unterteilt sind in Crime, Politics und Human Interest.



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Unter Politics tauchte am Montag, dem 16. September 2019, zuoberst die Nachricht auf, dass der Neffe des US-amerikanischen Vizepräsidenten am Samstag, 14. September, in New Jersey eine Cousine der Pressesprecherin des US-amerikanischen Präsidenten, Kellyanne Conway, geheiratet habe, wobei die Polizei das Gebiet zwischen dem Atlantik und dem Pazifik großflächig abgesperrt hätte, naja, zwischen der Atlantic und der Pacific Avenue in Atlantic City. Da wendet sich unsereins lieber dem Verbrechen zu, und hier finde ich zuoberst einen Bericht oder eher Kommentar zur Gefängnisstrafe, welche die Schauspielerin Felicity Huffmann kassiert hat, weil sie einer wohltätigen Stiftung 15'000 Dollar bezahlt hatte, damit ihre Tochter in ein College aufgenommen wurde, obwohl sie die Auf­nahme­prüfung nicht bestanden hatte. Felicity Huffmann muss zwei Wochen absitzen, vermutlich unter ähnlichen Umständen wie der andere berühmte Sträfling der letzten Woche, Weinstein oder Epstein, man kann sich das plastisch vorstellen. Aber bei People liegt der Akzent nicht auf den Haftbedingungen, sondern das Magazin vergleicht den Fall Huffmann mit dem Fall McDowell aus dem Jahr 2011. Frau McDowell lebte zu dieser Zeit vor allem in Obdachlosenheimen oder in Wohnwagen und wollte ihren 5-jährigen Sohn Andrew in eine anständige Schule schicken, weshalb sie für die Anmeldung die Adresse jener Frau angab, die Andrew regelmäßig hütete. Der Hinweis, dass Frau McDowell zuvor schon wegen Drogenkonsums im Gefängnis gesessen hatte, ist wegen der Mechanismen bei der Strafbemessung am Platz, denn das gravierende Verbrechen, dem eigenen Kind eine gute Schulbildung ermöglichen zu wollen, flog auf, und Frau McDowell wurde zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren verdonnert.

Weshalb bringe ich diesen Plunder auf den Tisch? Klassenjustiz, Rassenjustiz in den Vereinigten Staaten von Amerika, das ist so neu wie ein Schlager von Dieter Bohlen, das ist der Lauf der Welt, den kann man ohne weiteren Beleg unterstellen. Darum geht es aber nicht, sondern es geht darum, dass so etwas auf dem Internet-Magazin «People» publiziert wird, dass die Menschen, welche das lesen, sich ärgern oder sogar empören werden über die Ungleichheit. Abgesehen davon, dass sie es wohl ebenso schnell vergessen, wie sie es gelesen haben, zeigt die Tatsache, dass sie sich ärgern oder sogar empören, dass die Leserinnen von «People» politisch links stehen. Mindestens wenn es nach jenen Maßstäben gemessen wird, anhand deren die BBC die beiden großen öffentlich-recht­lichen Fernsehanstalten Deutschlands beurteilt hat. Die FernsehkonsumentInnen in Deutschland sind links oder werden links indoktriniert, besagt die entsprechende Studie der BBC, welche vor ein paar Tagen vorgestellt wurde. Die Ergebnisse stimmen zufälligerweise exakt mit den Vorwürfen der rechten NationalistInnen in Deutschland an die Lügenpresse überein. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten wehren sich dagegen mit einer anderen Studie, welche zwar nicht beweist, dass ARD und ZDF rechtslastig sind, die aber bezüglich der Reichweite der beiden Sender deutlich großzügiger sind, weil sie auch die Internet-Angebote und was weiß ich noch sonst berücksichtigen.

Die BBC ist nach wie vor eine Instanz, daran ändern auch die Zeitungen und Fernsehanstalten von Rupert Murdoch nichts, welche die britische Öffentlichkeit permanent mit rechtsnationalistischer Scheiße bombardieren, wodurch die Urteilskraft darüber, was nun wirklich links ist und was doch eher rechts, etwas eingeschränkt werden möchte. Trotz dieser Trübung halte ich die Einschätzung nicht für falsch. Irreführend ist nur der Umstand, dass mit «links» häufig noch Dinge assoziiert werden wie Klassenkampf, Revolution, Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit, also die Ziele der französischen Revolution, die heuer bekanntlich ihren 230. Geburtstag feiert, multipliziert mit den Erkenntnissen der sozialistischen und kommunistischen Arbeiterbewegung. Das führt nun ganz und gar in die Irre. Das BBC-«links» umschreibt nichts weiter als das, was ich in diesem Freien Radio seit Jahr und Tag den «sozialdemokratischen Medienkonsens» nenne und dem mittlerweile eben auch Internetmedien wie «People.com» huldigen. Dieser Medienkonsens ist der mediale Ausdruck eines dauerhaften Arbeitsfriedens zwischen Kapital und dem gewerkschaftlich verfassten Proletariat. Die Kapitalisten dürfen in einem vereinbarten Ausmaß ihre Gewinne machen und müssen gemäß der gleichen Vereinbarung Tariflöhne ausschütten, und im gleichen Vertrag ist auch festgehalten, dass die Lebenshaltungskosten tendenziell gegen null fallen, weil die internationale Arbeitsteilung die Warenpreise tendenziell gegen null fallen lässt. Dies gilt selbstverständlich nicht für die Wohnungen, weil dies ein anderer Sektor mit eigenen Gesetzen ist, welcher sich der Globalisierung weitgehend entzieht, und sowieso handelt es sich nur um einen Trend, den niemand in seiner ganzen Wucht ausbrechen lassen darf, denn sonst wäre das ganze System im Eimer. Wenn niemand mehr Arbeit hat, mögen die Waren noch lange nichts kosten, man kann sie trotzdem nicht kaufen, weil niemand Geld hat. Diese Einsicht liegt am Grunde des erwähnten Arbeitsfriedens. Der ebenfalls erwähnte Vertrag enthält auch die Erklärung dafür, dass die ursprünglich sozial­demo­kra­ti­sche Partei, nämlich die Sozialdemokratische Partei, seit einiger Zeit derart kläglich abschifft, nämlich weil alle anderen Parteien seit Langem eine sozialdemokratische Politik betreiben.

In diesem Punkte also irrt die BBC in ihrer ansonsten goldrichtigen Analyse: Die Menschen in Deutschland, das deutsche People, sind nicht linker als vor zehn oder zwanzig Jahren, bloß akzeptiert man heute die Sozialdemokratisierung in ihrer eigentlichen Form, und zwar auch bei den bürgerlichen Parteien.

Sind ARD und ZDF linke Fernsehsender? Ich messe das gerne an ihren Lach-Nummern, an den Satire-Sendungen, wobei das eine schwache Grundlage ist. Satire macht sieh grundsätzlich über Missstände lustig, und so schlau ist das System ja nicht erst seit gestern, dass es nicht wüsste, dass eine ordentliche Triebabfuhr in der Form eines befreienden Gelächters absolut systemerhaltenden Charakter hat. Meine Lach-Nummern-Bilanz ist von da her durchaus unpolitisch. Was ich sehe von ExtraDrei mit Christian Ehring oder der HeuteShow von Oliver Welke, das halte ich für durchaus mittelmäßig mit Ausschlägen nach oben, die eigentlich nur dann eintreten, wenn die Herren sich über sich selber lustig machen, was Gottseidank regelmäßig der Fall ist. Dort wird der Humor intrikat und absurd; ansonsten ist er weitgehend vorhersehbar und läuft parallel zum erwähnten sozialdemokratischen Medienkonsens. Voll und ganz auf politische Korrektheit eingeschworen ist die ZDF-Sendung «Die Anstalt», die ich schon fast nicht mehr aushalte, es sei denn, der Herr Pelzig trage noch etwas dazu bei. Etwas länger gebraucht habe ich, bis ich auf die Humor-Wellenlänge von Olaf Schubert gelangt bin, aber seit ich das geschafft habe, komme ich immer wieder erfrischt vom Fernseher weg, wobei ich in einer nicht allzu weiten Zukunft eine gründliche Überarbeitung des Formates empfehlen würde, es gibt ja auch noch andere lustige Anordnungen, und der Dauerzwist mit seinem Assistenten verlangt rein dramaturgisch nach einer Auflösung, welche von der Pointe her mit dem Sieg des Assistenten enden müsste, was aber von der Person her nicht möglich ist, weil es den Olaf Schubert einfach braucht. Also: Führt die Palastrevolution ruhig durch, vertreibt den Olaf Schubert, der kann dann ja von einem Sendeplatz bei Russia Today aus weiterfahren. Wie gesagt: rein dramaturgisch gesprochen.

Nein, die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten Deutschlands sind nicht links im ursprünglichen Wortsinne. Sie sind voll und ganz sozialdemokratisch, und zwar genau so sozialdemokratisch, wie es die CDU und die CSU auch schon seit ein paar Jahrzehnten sind und wie es wohl die deutsche Bevölkerung insgesamt sein dürfte, vor allem bei rekordtiefen Arbeitslosenquoten, um mal eine wirtschaftliche Komponente in den Vordergrund zu rücken. Wenn man dies tut, muss man gleich weiterfahren mit der Warnung vor der unsicheren Zukunft der Automobilindustrie, die ihre Dominanz auch mit der allerbesten Elektromobilität nicht über die Jahrzehnte hinaus wahren kann. Rein ökonomisch gesprochen, ganz abgesehen vom Verschleiß an Ressourcen und von tolpatschigen Verkehrskonzepten. Da schaut man sich lieber nach Alternativen um, und davon gibt es ja reichlich. Wir stecken bekanntlich mitten in der siebten oder achten technologischen Revolution im Kapitalismus, nach der Digitalisierung nun die Virtualisierung oder was weiß ich, und jede dieser Revolutionen hat bisher immer mehr Chancen in ihrem Kerngebiet geschaffen, als sie Arbeitsplätze in den früheren und konventionellen Bereichen zerstört hat.
Unzerstörbar dagegen ist meine Treue zu Hayden Pannettiere, obwohl ich mich hin und wieder frage, ob ich vor zehn Jahren nicht vielleicht doch aufs falsche Pferd gesetzt habe. Die Klitschko-Klitsche mit der gemeinsamen Tochter schien meine Wahl zunächst zu bestätigen, doch der Abstecher zu Brian Hickerson, der im Mai dieses Jahres sogar wegen häuslicher Gewalt, also Gewalt ihr gegenüber verhaftet wurde, zeugt von fraglichem Geschmack, abgesehen davon, dass sie sich vor zwei Wochen dann an der Seite von Brians Bruder Zach zeigte, dessen Ring- und Mittelfinger der linken Hand sie mit ihrer rechten Hand treu umschloss, wobei die Medien rätseln, ob das nun als Händchenhalten oder als bloß freundschaftliche Geste gewertet werden darf.

Auch von meinem zweiten weiblichen Helden, Michaella Rugwizangoga, der Chefin von VW Mobility Solutions in Rwanda, habe ich keine Erfolgsmeldungen vorzuweisen, nämlich habe ich seit über einem Jahr nichts mehr gehört. Am 14. August findet sich auf dem VW-Twitter-Account ein Retweet einer Meldung, wonach VW bis Ende 2019 das erste Elektroauto in Rwanda haben werde, nachdem das Unternehmen am 6. Juni die Facts vertwittert hatte: Der Polo sei das erste Modell gewesen, das vor Ort in Rwanda montiert wurde, wobei ein Großteil gar nicht verkauft worden sei, sondern im Rahmen der eigenen Mobility Services zum Einsatz käme; und in den nächsten Jahren werde man im Rahmen des integrierten Mobilitätskonzepts gut 1000 Arbeitsplätze schaffen, wobei dies möglicherweise nicht in die Zuständigkeit von VW alleine fällt. Mehr habe ich auf die Schnelle nicht gefunden.

Aber das spricht eigentlich eher für Frau Rugwizangoga, der ich ansonsten weiterhin alles Gute wünsche.


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Albert Jörimann
18.09.2019

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