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"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Christliches Afrika

Ich finde keine Antwort auf meine Frage, ob die aktuelle Krise der Staatsfinanzen in Frankreich eine Folge des vorübergehend abschließenden Abzugs der französischen Truppen aus Afrika ist. Dass eine postkoloniale Präsenz bestehen bleibt, versteht sich von selber, aber militärisch hat die Französin unter Emmanuel Macron die letzten Züge getan, der afrikanische Traum ist geplatzt, die afrikanische Seifenblase, könnte man auch sagen, wobei diese Seifenblase ansehnliche Inhalte hatte. Zum Beispiel gründet der Reichtum von Vincent Bolloré, eines der französischen Supermännchen in punkto Kapitalbesitz, zu schönen Teilen auf Gewinnen aus Afrika aus Plantagen über Zigaretten und Logistik bis hin zu Eisenbahnen.

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Das ist sicher Grund genug für diese schöne Seele, im Mutterland Frankreich selber nach Leibeskräften Marine Le Pen mit ihren Ausländerinnen- und vor allem Immigrantinnen-Fressern zu unterstützen, also politisch Geschäfte zu machen mit der Hatz auf Afrikanerinnen in Frankreich, wobei wie überall unterdessen auch der angelandete, der etablierte Teil der aus- und eingewanderten Gemeinschaft die gleiche Rede führt wie der Front National. So etwas ist jedenfalls kein Beleg dafür, dass die französische Krise direkt mit dem Zerfall des Afrika-Engagements zusammen hängt. Ich kann es mir auch nicht ganz präzise vorstellen und nur vermuten, dass die potenziellen Zugriffsrechte Frankreichs auf afrikanische Länder und Rohstoffe innerhalb von zehn Jahren derart stark geschrumpft sind, dass darunter auch die Bilanzen gelitten haben. Nur hat das in Frankreich selber keiner bemerkt oder so diagnostiziert. Dort wird die politische Kultur nicht erst seit den Gelbwesten dominiert von der kleinen Bibel von Stéphane Hessel, die vor fünfzehn Jahren erschienen ist und mit «Empört euch!» betitelt ist. Diese Empörung hat sehr schnell vom Lager der Widerständler, also von der Wählerschaft der nicht unterwerfbaren Französinnen, übergegriffen auf die bürgerlichen Teile der Wählerschaft, wie man eben später bei den Gelbwesten gesehen hat; seither ist Frankreich nur noch Empörung. Und das alles wegen Afrika, vielleicht! Seid froh, geschätzte Hörerinnen und Hörer in Erfurt, dass man euch eure paar Kolonien schon vor über einhundert Jahren eingezogen hat! So wurdet ihr zu einem freundlichen Kapitalismus geradezu gezwungen, wenn man mal vom tausendjährigen Intermezzo auf der Suche nach der Weltherrschaft absieht. Aber das sind ja keine richtigen Kolonien geworden, die Polen, Bulgarinnen, Griechinnen, Jugoslawinnen, all die Menschen in Afrika und in Westrussland; die hat man einfach eingestrichen mit einer militärischen Überlegenheit, welche auf ihre Art an jene der USA und Israels heute erinnern. Das war bei Frankreich anders, und damit ist jetzt Schluss.

Ich kann mich täuschen. Jedenfalls beobachten wir gegenwärtig eine Zangenbewegung. Islamistische Kräfte werden von den Vereinigten Arabischen Emiraten direkt und von den Nachbarländern indirekt mit Geld und Waffen ausgestattet, mit Vorliebe in der nördlichen Sahara entlang den alten Wanderrouten der Kameltreiberinnen; es findet mehr oder weniger eine Reconquista statt, nachdem die christlichen Kolonialherren und Kapitalisten den Osmanen und ihren religiösen Vertretern, welche möglicherweise zu ihrer Zeit so etwas wie die Rolle einer Fremdenlegion spielten, den Garaus gemacht hatten. Heute aber empfiehlt es sich in keiner Art und Weise, in der Sahelzone sein weißes Gesicht zu zeigen. Die Kolonialmächte hielten sich relativ lange, weil sich die Herren, die auf der arabischen Halbinsel ihre Erdöleinnahmen verprassten, lange überhaupt nicht um den Rest der Welt außerhalb ihrer Paläste scherten. Ihre Verachtung gegenüber der schwarzen Rasse steht jener der christlichen Fundamentalistinnen in nichts nach. Nun aber ist ihr Interesse wieder aufgeflammt, Rassismus hin oder her.

Auf der anderen Seite nimmt die Lastwagenhupe mit der ihr beigesellten bigotten evangelikalen Meute einen erneuten Anlauf, die Katholen aus dem Kontinent zu fegen und stattdessen ihre wundersamen Kirchen einzupflanzen, in welchen die Lastwagenhupe in kurzer Zeit wohl als Heiliger verehrt werden wird, der Ehebrecher, Hurenbock und Pussygrabscher, der Gottverächter, der seine Tänzchen auf dem Altar der Evangelikalen aufführt. Wir alle haben die Einsicht nicht erfunden, dass das Werkzeug Gottes auch durchaus selber schmutzig sein und dennoch einem guten Zwecke dienen kann; jedenfalls reist gegenwärtig die Leiterin des Glaubensbüros im Weißen Haus durch das christliche Afrika und versprüht die Samen der Lastwagenhupe in der Hoffnung, dass sie auf fruchtbaren Boden fallen. Für ein paar Kirchengründungen kann das wohl reichen, aber ob in den nächsten fünf Wochen gerade der ganze Kontinent evangelisiert wird, steht noch nicht fest. So kämpfen in den nach wie vor ziemlich rückständigen Ländern Afrikas die Kräfte der islamistischen gegen die Kräfte der evangelikalen Dummheit, was für unsereinen, der sich als nicht religiös ausgibt im Wissen darum, in einem christlichen Umfeld aufgewachsen und davon geprägt zu sein, ziemlich frustrierend wirkt; dafür haben wir keine Religionskritik geübt, meine Damen und Herren. Nein, mit dieser Sorte von Rückschritt haben wir wirklich nicht gerechnet.

Die Chinesinnen verzichten derweilen darauf, ihre Weltmachtpolitik auch noch religiös oder philosophisch zu verbrämen, sowohl in Asien als auch in Europa und in Afrika. Hier werden ganz simpel Geschäfte gemacht, wie wir es uns gewohnt sind. Das lobe ich mir. Die Chinesinnen werden gleichzeitig auch zur Supermacht der umweltfreundlichen Energien, während sie parallel dazu Kohle verfeuern und Atome spalten, dass es eine Freude ist. Das soll uns mal einer erklären.

Davon unabhängig möchte ich darauf hinweisen, dass ich meine Informationen zu Vincent Bolloré von der Webseite ibiworld.eu beziehe, die seit dem Jahr 2023 oder 2024 nicht mehr aktualisiert wurde, weil ihr Autor gestorben ist; es handelt sich um den ehemaligen Mitstreiter von Radio F.R.E.I., Paolo Fusi, der einen recht umfassenden Bericht zur Geschichte dieser Postkolonialisten­familie verfassst hat, bis hin zur Foto von Vincent Bolloré aus dem Jahr 2012 mit dem sozialistischen Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoë, dem Bolloré verschiedene Infrastrukturteile andrehen konnte. Sehr interessant an dieser Foto ist für mich auch die Tatsache, dass die stellvertretende Bürgermeisterin Anne Hidalgo hieß, welche später Delanoë in seinem Amt beerbte. Paolo Fusi schreibt unter die Foto, dass die beiden zu diesem Zeitpunkt verheiratet gewesen seien, was vermutlich Hidalgos Partner Jean-Marc Germain nicht gefallen hätte. Delanoë war abgesehen von allem anderen bekennender Homosexueller und sorgte dafür, dass Paris auch auf diesem Gebiet mit Berlin gleichzog. Trotzdem, trotzdem, trotzdem: Bolloré ist ein Paradebeispiel für einen Vertreter des Geldadels in Frankreich, den man in ähnlichen Formen, wenn auch möglicherweise etwas weniger kultiviert oder vielleicht auch etwas kultivierter in anderen Ländern findet und im Moment sowieso vor allem in den Vereinigten Staaten suchen würde. Wie das konkret aussieht, kann ich anhand eines kurzen Zitats von Paolo Fusis Webseite erläutern: «Bolloré stürzte sich 1998 auf den Telekommunikations-, Bau- und Wasserversorgungskonzern Bouygues. Trotz dem Konflikt trifft Vincent die Bamilie Bouygues oft bei Familienessen; Vincents Sohn Yannick ist mit Martin Bouygues’ Nichte Chloé verheiratet.» Ein bisschen weiter unten: «Zu den Aktionären der Bolloré-Gruppe gehören bedeutende Namen wie die Familie Agnelli und Antoine Bernheim, ein französischer Investmentbanker, der 30 Jahre lang Geschäftsführer und dann Präsident der Assicurazioni Generali in Triest sowie geschäftsführender Gesellschafter der Investmentbank Lazard war, vor allem aber der Jugendfreund von Vincent (der Jugendfreund seiner Mutter): Bernard Arnault, der Gründer des Modekonzerns LVMH, und François Pinault, Multimilliardär, Kunstsammler, Eigentümer des berühmten Autkionshauses Christies.»

Diese Verhältnisse ändern selbstverständlich konstant und bleiben im Grunde doch die gleichen. Mir selber wäre gedient, wenn eine ähnliche Recherche mal für Deutschland gemacht würde. Das heißt, vielleicht gibt es die sogar bei ibiworld.eu, bloß komme ich nicht mehr auf die entsprechenden Teile der Webseite. Jedenfalls ist das der Stoff, den ich der deutschen Gesellschaft zu diskutieren empfehlen würde anstelle von Geheule über die Gestalt von Innenstädten, die nicht ganz zufälligerweise von einem Mitglied der globalen Blackrock-Elite angerissen wurde, welchen die Deutschinnen und Deutschen zu ihrem Bundeskanzler zu wählen beliebten. Ich glaube nicht, dass Friedrich Merz auch nur annähernd mit Typen wie Arnault und Bolloré zu vergleichen ist, aber er erfüllt seine Funktion beim Ablenken von echten Macht- und Kapitalverhältnissen ganz eins a. Seien wir ehrlich: Diese Funktion haben seit Gerhard Schröder und schon vor ihm auch die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ganz treu und treuhänderisch und treuherzig erfüllt. Nein, eine Neidgesellschaft seid Ihr in Deutschland ganz gewiss nicht, sonst würdet Ihr anders sprechen über,

zum Beispiel Dieter Schwarz von Lidl mit 46 Mia. EUR Vermögen, Susanne Klatten und Stefan Quandt mit 36.1 Mia. EUR, allerdings eng an BMW gebunden, Karl Albrecht und Beate Heister, von Aldi Süd, mit 27 Mia. EUR, Familie Merck mit 25 Mia. EUR im Pharmabereich, Familie Reimann mit Sitz in Luxemburg, was allein schon für ein Enteignungsverfahren ausreichen müsste,
die über ihre JAB Holding 24 Mia. EUR besitzen, Klaus-Michael Kühne, der ebenfalls im Ausland seinen Steuersitz hat, nämlich in der Schweiz in unmittelbarer Nachbarschaft von Alice Weidel, und 23 Mia. EUR schwer ist, die Familie Henkel mit 20 Mia. EUR, ein Andreas von Bechtolsheim, wohnhaft in den Vereinigten Staaten nicht von Arabien, sondern Amerika, der seine 18 Mia. EUR offenbar mit Netzwerktechnik gemacht hat, die Besitzerin des Software-Multis SAP ist die Familie Hasso Plattner und nennt 17.7 Mia. EUR ihr eigen, Aldi Nord steuert Theo und Babette Albrecht bei mit 17.6 Mia. EUR, Dietmar Hopp hat ebenfalls seine Hände bei SAP drin und ist 15.8 Mia. EUR schwer, mit Werkzeugen handelt die Würth-Gruppe, deren Besitzerfamilie 14.4 Mia. EUR besitzt, gefolgt von der Familie Viessmann Heiztechnik mit 14.2 Mia. EUR, der Familie Brennikmeijer mit 14.2 diversifizierten Mia. EUR und mit Steuersitz in der Schweiz, und so weiter und so fort.

Man sieht dieser Liste allerdings an, dass der deutsche Geldadel sich um Welten diskreter benimmt als die Protze in Frankreich, die allerdings auch nicht alle so reich sind wie Bollorés Freund Bernard Arnault, der im Jahr 2022 vorübergehend als reichster Mensch der Welt geführt wurde mit 150 Mia. EUR, noch vor Elon Musk, der ihn aber im Jahr 2023 wieder überholte, um im April 2024 wieder an ihm vorbeizuziehen, diesmal mit 233 Mia. US-Dollar. Seither ist wieder viel Wasser die Seine hinunter geflossen, die US-Amerikaner haben Arnault abgehängt, Forbes weist aktuell Elon Musk an der Spitze aus mit einem Nettowert von 482 Mia. US-Dollar, gefolgt von Larry Ellison mit 293 Mia. US-Dollar, Jeff Bezos mit 254 Mia. US-Dollar und Larry Page mit 230 Mia. US-Dollar. Bernard Arnault besitzt im Moment nur gerade 184 Mia. US-Dollar. Vincent Bolloré dagegen muss sich mit gut 10 Mia. EUR begnügen. Das reicht aus, um rechtsnationalistischen Populismus zu betreiben und als Vogelscheuche des französischen Kapitalismus zu dienen, aber hier befinden wir uns trotzdem in der dritten und vierten Liga der Kapitalbesitzer.

Interessiert das jemanden? Nein, viel wichtiger ist, dass in Deutschland die arabischen, maghrebinischen, afghanischen und syrischen Menschen aus dem Stadtbild verschwinden, findet euer Blackrock- und Privatjet-Bundeskanzler. Wohl bekomm’s.





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