Aktuell

Das Programm von heute
00:00 Soundtrack
Filmmusik
05:00 Offene Sendefläche
nach § 34 ThürLMG
09:00 Unterdessen
Das Magazin ...
12:00 Sehkrank
Album zur Nacht
13:00 Play Some Records
The Sound Of Real Music
15:00 Common Voices
Sendung von Geflüchteten und MigrantInnen in Halle
17:00 Südnordfunk
Aus Print mach mehr - iz3w on air
18:00 Unterdessen
Das Magazin ...
20:00 Osmose
Sendungen Freier Radios
21:00 handmade
Regionale Musik
22:00 Roamin' Cats
One love, less rules

"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Carsten Schneider

Am 9. April prägte Euer Thomas Müntzer, nein, münzte Euer Carsten Schneider ...



artikel/Aus neutraler Sicht/J_KW_16_200px.png

> Download ... im Organ «Börse Online» und daselbst in einem Interview mit Oswald Metzger, einem niemals ganz arrivierten Politiker, der 1974 in die SPD eingetreten war, in den achtziger Jahren zum Bündnis 90/Die Grünen wechselte, seit 2008 bei der CDU Mitglied ist und sich selber als FDP-ler bezeichnet, nämlich als Ordoliberalen; in einem Interview also mit diesem mit allen politischen Wassern gewaschenen und trotzdem oder eben gerade deswegen niemals ganz konsekrierten, will sagen geweihten, das heißt arrivierten Politiker münzte euer Carsten Schneider den Satz: «Das bedingungslose Grund­ein­kom­men halte ich für dekadent, weil es ein Schlaraffenland vorgaukelt, in dem es sich ohne Arbeit leben lässt.» Tscha, was man nicht alles sagt, wenn der Tag lang ist, und wozu man sich nicht alles äußert, von dem man nichts versteht, das und nur das wollte ich anhand dieses Kurzzitates wieder einmal vor Augen führen. Dass Oswald Metzger dem Genossen Schneider die Frage überhaupt stellte, hat sicher damit zu tun, dass der ordoliberale Nicht-ganz-Spitzenpolitiker in sämtlichen Parteien während seiner Zeit bei den Grünen den Entschluss gefasst hatte, das bedingungslose Grund­ein­kom­men zu bekämpfen trotz ordnungspolitischen und liberalen Eigenschaften, wie sie von Ordoliberalen und Ökonomen wie Friedrich von Hayek und etwas später Thomas Straubhaar, aber auch von bürgerlichen Politikern wie zum Beispiel von eurem ehemaligen Ministerpräsidenten Dieter Althaus geschätzt wurden und werden. Genosse Schneider dagegen versteht von dem Konzept genau so viel wie die gesam­te Spitze der SPD, nämlich nichts mit Ausnahme der Reaktion einiger ihrer Mitglieder­grup­pen, namentlich verschiedener Gewerkschaften darauf, und die ist bei allem Auf und Ab und Hin und Her tendenziell ableh­nend, also lehnt man es halt ab und bemüht den zweiten Satz der Thermodynamik im gewerk­schaftlich-protestantischen Glaubensbekenntnis: Erstens darf der Mensch nicht zurück ins Paradies, das er unter dem Arbeitstitel Schlaraffenland ständig anstrebt und welches die Globalisierung und Automatisierung durchaus nicht in Griffweite herangerückt hat, sondern das bereits eine Realität ist, was den Grundkonsum angeht; zweitens darf eine Gesellschaft beziehungsweise dürfen die normalen Mitglieder dieser Gesellschaft nicht außerhalb von entfremdeter Arbeit leben, denn sonst täten sie uns gar vollends aus dem Häuschen geraten, nur Unfug treiben den lieben langen Tag und eben ihre tausend Schlaraffen-Euro pro Monat verjubeln für lauter unnötige Rostbratwürste.

Ach ja, diesen Seufzer muss ich leider häufig seufzen, und wenn es dann gerade noch einer aus Erfurt ist, der sich so unnötig linientreu zeigt in einer Partei, welcher die Linien schon längstens abhanden gekommen sind, dann dringt es halt auch wieder einmal in dieses Sendegefäß. Und ich will vor lauter Seufzen nicht vergessen anzufügen, dass das bedingungslose Grundeinkommen zwar auch ordoliberale und zum Teil sogar neoliberale AnhängerInnen hat, dass es in der Regel aber ganz einfach als ganz hundskommuner Fortschritt in der Verfassung moderner Gesellschaften gesehen wird, nur damit mir niemand auf falsche Gedanken kommt. Und damit zu etwas völlig anderem.

Die letzte Woche brachte eine wunderbare Voltigier-Variante der Billigfluggesellschaft Easy Jet. Ich gehe davon aus, dass ihr alle, geschätzte Hörerinnen und Hörer, ein oder zwei Mal im Jahr das Angebot dieser 1-Euro-Flüge nutzt, welche Euch die Balearen für lau näher bringen als irgendeinen viel zu warmen Baggersee in der Umgebung. Man lernt ja auch die Welt kennen, schließlich, und das soll ja nicht das Privileg der Superreichen sein, schließlich, und so führt eine direkte Linie, nicht eine Partei-, sondern eher eine Fluglinie nach Mallorca, Antalya und seit einiger Zeit auch nach Abu Dhabi, wo man dann eben die Welt und die verschiedenen Kulturen kennenlernt, in Abu Dhabi namentlich den so genannten Islam, was für allem für Mitglieder der Protestbewegung gegen die Islamisierung Europas sehr lehrreich sein soll. Wie gesagt: Ich gehe davon aus, dass auch ihr euch ein paar Mal im Jahr kulturell betätigt und Flugmeilen sammelt, auch wenn ich nicht sicher bin, ob Easy Jet tatsächlich das gleiche Bonussystem pflegt die die Lufthansa; auf jeden Fall wird geflogen, dass es eine Art hat, eben nicht nur von den Superreichen, sondern auch von den Superarmen, na von denen vielleicht nicht gerade, aber für so einen Grundeinkommens-Schlaraffi, vulgo eine Hartz-IV-Empfängerin, lohnt es sich je nachdem bereits, die 26 Euro dreißig für Hin- und Rückflug nach Tunesien zu löhnen, weil das Leben dort im Hotel vielleicht sogar billiger ist, als wenn man sich in Deutschland von der Tafel ernährt. Ich weiß es doch nicht. Auf jeden Fall wird diese Billigfliegerei neuerdings nicht nur von mir schlechtgeredet, sondern von all den Jugendlichen, welchen wohl die entsprechenden Erfahrungen mit ihren Eltern sauer aufgestoßen sind, aber das ist gar nicht so wichtig, wichtig ist bloß, dass sie darauf hinweisen, dass es kaum eine andere Fortbewegungsart gibt für den Menschen, welche derart massiv fossile Energie verbraucht und Klimagase erzeugt wie das Fliegen, und während ich in dieser Klimasache in der Regel nur ein bisschen sauren Spott abzusondern vermag, haut diese Klimajugend jetzt plötzlich auf den Tisch und sagt, was Sache ist. Ich bin sicher, geschätzte Hörerinnen und Hörer, die ihr jährlich die eine oder andere Kultur­expe­di­tion auf dem Luftweg unternehmt, dass euch bei diesem Protest der Klimajugend auch ein margi­naler Anteil an schlechtem Gewissen durch den Oesophagus hochgekrochen ist, soviel ich weiß, bildet sich nämlich das schlechte Gewissen tatsächlich in der Bauchspeicheldrüse, welche aus diesem Grund auch so häufig von Krebs heimgesucht wird, und kriecht dann die Speiseröhre hoch, wo es aber relativ unkompliziert einfach ausgeatmet werden kann, zusammen mit jenem Stoff­wech­sel­produkt CO2, welches das Klima ganz sicher ebenso stark aufheizt wie jeder Easy-Jet-Flug nach Mallorca. Auf jeden Fall ist im Moment Selbstkritik angesagt wie damals in den marxistisch-leni­nis­tischen Studiengängen, man bezahlt mindestens Klima-Kompensationsbeiträge an jene famose Organisation Myclimate, deren Konzept der Umwandlung von schlechtem Gewissen in Geld ich seit Jahren bewundere, nicht zuletzt deshalb, weil diese Organisation von Genies die Tatsache ausnützt und gleichzeitig umgeht und damit auch zementiert, dass die Staaten darauf verzichten, die Myclimate-Beiträge obligatorisch in der Form von Treibstoffsteuern abzuführen. Möglicherweise wird schon jetzt der eine oder andere Easy-Jet-Flug nicht mehr so schnell gebucht wie auch schon, was nun besagte Fluglinie auch geschnallt hat, und was macht sie, die wunder-wunderbare Billigfluglinie Easy Jet? – Sie erfindet das Elektroflugzeug! Ein Werbegag der Luxusklasse!

Tatsache wahr, ich hätte mir das Steißbein gebrochen, wenn ich mich nicht zuvor schon vorsorglich gesetzt hätte, als ich die Nachricht hörte. Bis im Jahr 2025 will Easy Jet den ersten Elektroflieger konstruieren, und ab 2050 soll die gesamte Flotte elektrisch angetrieben werden.

Da kann sich Myclimate also noch ein Stück abschneiden von. Derart tolldreist Lügen in die Welt zu setzen, das schafft in der Weltöffentlichkeit gegenwärtig höchstens der amerikanische Präsident, aber von dem ist man es sich gewohnt, der zählt insofern nicht. Easy Jet will also die gesamte Düsenantriebstechnik und vor allem die gewaltigen Batteriekapazitäten in sechs Jahren fertig ausgereift entwickeln und in die Luft senden, und zwar nicht so, wie das neueste Modell von Boeing – wow, Freundinnen und Freunde, das Leben ist schön.

Umgekehrt zeigt sich an diesem prachtvollen PR-Coup, welch ungeheure Ängste sich in den Führungsetagen dieses Geschäftsmodells breit machen. Unsereins nimmt die Klimabewegung eher gelassen, erfreut schon, aber doch auch etwas abgebrüht, wir haben schon andere Protest­bewe­gun­gen kommen sehen, zum Beispiel vor acht Jahren nach Fukushima, aber wir haben sie auch wieder gehen sehen, ungefähr so, wie Oswald Metzger zur CDU. Easy Jet dagegen hat im Moment ganz offensichtlich Scheiße in den Erwachsenenwindeln, das merkt man. Und man, nämlich ich, ich weiß jetzt nicht so recht, ob ich mich darüber freuen soll, dass ich also diese Scheiß-Angst als Hinweis darauf nehmen darf, dass die Klimabewegung tatsächlich eine nach­hal­ti­gere gesellschaftliche Dimension annimmt als zum Beispiel die Gelbwesten in Frankreich, oder ob ich mich über die maßlose Unverschämtheit ärgern soll, mit solchen Aprilscherzen eine ganze Klimabewegung auf den Billigflug locken zu wollen. Wie war das doch letzthin noch mit dem Goldenen Globi oder Bambi, nee, die Goldene Kamera war's, welche unser aller Gretchen einen Ehrenpreis für ihr Umwelt-Engagement verlieh und als Preis für die Nachwuchsschauspielerin einen VW-SUV auslobte, weil VW die Veranstaltung mit viel Diesel und CO2 sponsort. Der Hammer.

Nun – das Schlaraffenland wächst nun mal nicht auf den Bäumen, wenn ich mir diesen Kalauer erlauben darf, will sagen: Die Herstellung eines anständigen durchschnittlichen Wohlstandes geht nicht ohne Energie und Klimabelastung vonstatten. Umgekehrt weiß man heute doch genug und kann auch genug, um den Energieverbrauch und die Klimabelastung zu minimieren. Das ist umso wichtiger, als nach allen internationalen Standards bekanntlich auch der Rest der Welt auf das Wohlstandsniveau Europas und Nordamerikas angehoben werden soll. Die Inderinnen und Inder haben grundsätzlich nicht weniger Rechte auf Badeferien in Ibiza als ihr da in der Mitte Deutschlands. Übrigens hat der Spitzenkandidat der Kongresspartei, Rahul Gandhi, für den Fall eines Wahlsieges angekündigt, dass sie, na was wohl in Indien einführen wollen, ja, was wohl, Oswald Metzger? – Ein bedingungsloses Grundeinkommen, jawohl. Allerdings wird es in der Praxis nicht so ganz bedingungslos sein, eine erste Einschränkung machten die Parteispitzen bereits, indem sie es für die Armen reservierten, was ein echter und edler Stockfehler bei der Konzeption eines jeden richtigen Grundeinkommens-Projektes ist, denn dieses muss bedingungslos auch an Milliardäre ausbezahlt werden, aber dazu mehr an anderer Stelle beziehungsweise hier nur soviel: Wieso soll eine Milliardärin im Aldi für ihren Offenbach-Champagner das Doppelte bezahlen wie ein Hartz-IV-Empfänger? – Darüber sollte man sich mal Gedanken machen.

Wie gesagt: Wohlstand hat seinen Preis, auch in Umweltsachen, und wer dabei ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein... Ich zum Beispiel bin ein gewaltiger Klimasünder, allerdings an der Bauchspeicheldrüse vorbei, ich esse viel mehr Fleisch, als mir zustehen würde gemäß der Kalkulation unserer Umweltwissenschaftler. Was bin ich froh um all die Vegetarier und Veganerinnen! Ich esse einfach für zwei von ihnen mit bzw. sie treten mir ihren Anteil ab, sozusagen Mymeat, ganz ohne Kompensationszahlung. Übrigens habe ich am letzten Samstag erfahren, dass der internationale Veganerinnenkongress beschlossen hat, dass Bienenhonig zu den veganen Speisen zu rechnen ist. Nach der Einführung von veganer Blumenerde – das ist Blumenerde, welche nur mit Glyphosat, nicht aber mit tierischem Dünger angebaut wurde – und von veganem Wein – das ist Wein, der nicht durch einen Filter aus tierischem Nackenleder gefiltert wurde – ist diese Nachricht sogar für unsereinen, der damit grundsätzlich nichts zu tun haben will, schon fast eine Erleichterung.



Hier findest du alle Kolumnen von Albert Jörimann von 2007 bis heute.

Albert Jörimann
16.04.2019

Kommentare

Zu diesem Artikel sind keine Kommentare vorhanden.

Kommentar hinzufügen


Optional, wird nicht veröffentlicht.