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Regionale Musik

"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Tuareg

Am 10. November hielt die Sondereinsatzgruppe Barkhane 150 Kilometer nördlich des Ortes Menaka in Mali das Fahrzeug von Bah Ag Moussa an und erschoss den Chef der Militäroperationen des Jamaat Nosrat al-Islam wal-Mouslimin, was auf Deutsch ungefähr Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Moslems heißt.



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Der Al-Islam Wal-Mouslimin gilt als Verbündeter von Al Kaida. Möglicherweise waren die Geheimdienste anlässlich des Austausches von 200 Dschihadisten gegen zwei westliche Geiseln auf seine Spur gestoßen. Vielleicht auch nicht; die französische Armee hatte bereits fünf Monate zuvor den Algerier Abdelmalek Droukdel, den Anführer von Al Kaida im islamischen Maghreb, getötet. Im Gegensatz zu Droukdel stand Ag Moussa aber neben dem islamischen Dschihad noch für eine andere Kraft in der Region, nämlich für die Tuareg-Befreiungsbewegung. Nach der militärischen Ausbildung in Libyen beteiligte er sich an der 6 Jahre dauernden Tuareg-Rebellion zu Beginn der 1990-er Jahre, die eine Reaktion auf die Unterdrückung durch die Regierung von Mali war. Nach Beendigung des Aufstands wurde Ag Moussa mit seinen Mitstreitern in die malische Armee integriert. Zehn Jahre später brach dieser Aufstand erneut aus, wurde aber umgehend mit den Verträgen von Algier beigelegt; Ag Moussa wurde zu Oberst einer Spezialeinheit befördert. Im Jahr 2012 verließ er die malische Armee erneut, lief zunächst zur Nationalen Befreiungsbewegung von Azawad über, welche für einen unab­hän­gi­gen Tuareg-Staat im Norden Malis kämpft, schloss sich dann aber den islamistischen Strömungen unter Isyd Ag Ghali an, mit dem er bereits Anfang der 90-er Jahre gekämpft hatte, damals aber noch ohne religiösen Überbau.

Mit anderen Worten: An gewissen Orten nimmt der islamische Dschihad bestehende regionale Verwerfungen auf, oder aber die eine Konfliktpartei in einer solchen Verwerfung wirft sich ein religiöses Mäntelchen um, was ihre Stellung im Konflikt verstärkt und ihr zusätzliche Mittel aus den Kassen wahabitischer Fundamentalisten verschafft. An anderen Orten im Maghreb, in Arabien, in Afghanistan und Pakistan sowie in Indonesien dschihadisiert der Islamist im moslemischen Umfeld nach bestem Wissen und Gewissen, während in Europa das Hauptrekrutierungsfeld offen­bar im Submilieu der Kleinkriminalität besteht, wo irgendwelche labilen Existenzen geistig zu Selbstmordkandidaten geknetet werden. Immerhin sollte man sie nicht verwechseln mit den durchaus nicht dschiha­distischen oder islamistischen, dafür stockreaktionären islamischen Gesell­schaften, die sich in den französischen Vorstädten ausgebildet haben. Es ist mir ein Rätsel, weshalb es den französischen Politikerinnen seit zwanzig Jahren nicht gelungen ist, diese Vorstädte sukzessive abzureißen und mit dem Mittel modernen Städtebaus neu zu errichten, und zwar so, dass sie nicht für Segregation, sondern für Integration sorgen. Diese Aufgabe ist zwar groß, aber die Lösungen sind bekannt, man sollte damit einfach bei Gelegenheit mal beginnen.

Aber sprechen wir von etwas anderem. Der EU-Bauernverband bzw. die beiden größten land­wirt­schaftlichen Organisationen COPA und COGECA verlangen von der EU finanzielle Hilfe, diesmal für die absehbaren Ausfälle beim Honig-Ertrag in diesem Jahr, wie übrigens auch schon im Vorjahr. Man spricht von einem Rückgang der Produktion um 40%, und zwar wegen der extremen Wetter­be­dingungen. Überflutungen und Dürre hätten zu einer Schrumpfung der Vegetations­peri­ode geführt, vor allem in Ost- und Südeuropa. Gewisse Honigsorten, zum Beispiel Akazienhonig, könnten kaum mehr geerntet werden. Allein in Ungarn gebe es 2020 nur gerade einen Zehntel der normalen Mengen. Portugal und Italien geben ihre Verluste mit 70% bis 80% an. Gleichzeitig würde der Ertragsrückgang aber nicht durch Preiserhöhungen kompensiert, da genug Importhonig auf dem Markt sei und unter der Marke EU-Honig verkauft würde, weil man nicht über sichere Herkunftsangaben beziehungsweise Labels verfüge.

Alles schön und gut, gute Bauern beziehungsweise Bäuerinnen und Bauern, aber, ahaber: Habe ich da nicht letzthin mal etwas gehört von einem dramatischen Rückgang der Insektenpopulation, unter anderem der Bienen, von, sagen wir mal 40 Prozent der Lebend- oder Fliegendmasse? Und zwar, wie könnte es anders sein, wegen andauernder Überdüngung und Monokultur in der Land­wirt­schaft? Sagt an, geschätzte Bäuerinnen und Bauern, gibt es hier überhaupt keinen Zusammenhang nicht? – Zugegeben, die Honig­pro­duk­tion im größeren Rahmen mag durchaus auf Flächen statt­finden, die zu diesem Zwecke eben gerade nicht zutode gedüngt und monokultiviert wurden, aber trotzdem bringe ich diesen Querschluss einfach nicht aus meinem Kopf raus. Das illustriert viel­leicht dann eher wieder mein allgemeines Vorurteil gegen den Bauernstand, zumal in seiner organi­sierten und EU-Version. Deren gemeinsame Agrarpolitik hat den Nutzflächen dieses Kontinentes und ihren Bewirtschafterinnen schwer zugesetzt. Begründung dafür war die Maximierung der Pro­duktion, die dabei derart erfolgreich war, dass die Europäische Union unterdessen gezwungen ist, ihre riesigen Überschüsse zu Dumpingpreisen in die Entwick­lungs­ländern zu exportieren und dabei beiläufig deren eigene Produktion zu ruinieren. Dabei halte ich die landwirtschaftliche Hoch­leis­tungs­produktion gar nicht grundsätzlich für schlecht; sie schafft im zentralen Punkt der Ernährung den Kern unseres Wohlstands, indem sie die Lebensmittel für die gesamte Bevölkerung zu er­schwing­lichen Preisen zur Verfügung stellt, ohne irgendwelche Zweifel oder irgendeine Not­wen­digkeit zur Einschränkung. Jetzt müsste man sie nur dazu verwenden, gleichzeitig eine naturnahe und kleinteilige Landwirtschaft in dafür ausgewiesenen Zonen zu betreiben. Dann hätte das Bauern- und Höfesterben nämlich auch sein Ende, und die Konsumentinnen müssten zwar das doppelte für ihr Fleisch bezahlen, aber dafür wäre die Qualität in Ordnung, im Gegensatz zum gegenwärtigen Zustand mit unnötigen Überschüssen, der Vergiftung der Böden und der Insektenpopulation – und wohl eben auch mit dem Rückgang der Honigproduktion, wenn meine Annahme stimmt.

Es geht halt um sehr viel Geld, aber diese Aussage ist ungefähr so viel wert wie jene, dass es an jedem Tag irgendein Wetter gibt. Es geht immer und überall um viel Geld, auch bei den Corona-Impfstoffen, wo hie und da tatsächlich der Vorwurf auftaucht, dass deren Erfinderinnen damit Geld verdienen wollen. Ach ja, tatsächlich? Die ganze Pharmaindustrie arbeitet wirklich mit dem obers­ten Ziel, Gewinn zu erzeugen? Mehr noch, sie ist damit zu einem tragenden Element kapitalis­ti­schen Wirtschaftens geworden? Mit deutlich besseren Zukunftsaussichten als die Automobil­in­dus­trie? – Wer so etwas tatsächlich für ein Wunder oder gar für unmoralisch hält, die oder der sollte einen Kurs an der Volkshochschule belegen, egal, was für ein Fach, es hilft in jedem Fall.

Die neue EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion Mairead McGuiness trägt nicht nur eine Biersorte in ihrem Namen, sondern äußert sich auch sehr zuversichtlich, oder sagen wir besser: sehr entschlossen in Bezug auf die Entwicklung der globalen Finanzsysteme in Richtung der Nachhaltigkeit, und zwar sowohl ökologisch auch sozial. Europa werde sich von der Covid-Krise nicht vom ökologischen Übergang abhalten lassen, sondern im Gegenteil die neuen Instrumente zur Kapitalaufnahme mit vorerst 750 Milliarden Euro schwergewichtig in diesem Sektor platzieren. Dabei beobachtet sie auch eine Verlagerung des Interesses der Finanzmärkte in diese Richtung, vor allem bei institutionellen Anlegern, wobei man hier erst in den Anfängen stecke. Aber Europa sei gewillt, dabei eine Führungsrolle zu übernehmen. Gleichzeitig wolle man versuchen, konventionelle und belastende Sektoren möglichst schonend in eine neue Ära zu überführen. Zur Absicherung dieser politischen Ziele sieht sie ein starkes regulatorisches und politisches Regelwerk vor.

Das tönt irgendwie auch gut und schön, aber wie weit diese Politik dann konkret einschenkt, zum Beispiel in der Kohleförderung in Polen, muss sich noch zeigen.

Etwas irritiert hat mich die Meldung, dass man in Abwasserproben in Mailand schon im Sommer 2019 und in Barcelona laut einer Studie der Universität Barcelona sogar bereits Mitte März 2019 SARS-Covid-2-Antikörper gefunden hat, wobei die entsprechenden Infektionen damals offenbar als besonders starke Grippe behandelt wurden. Die Angaben für Mailand stammen vom italienischen Krebs-Institut in Mailand, welches das Virus bei 14% der Teilnehmenden an einem Test eines neuen Krebsmedikaments vor einem Jahr nachgewiesen hat. Ich entnehme diese Angaben dem Internet-Nachrichtendienst Euractiv und gehe somit davon aus, dass sie zutreffen; sie entsprechen aber nicht der mir geläufigen Entstehungsgeschichte vom Übersprung des Virus von Fledermäusen auf den Menschen auf einem Wildtiermarkt in Wuhan im Sommer 2019. An der Tatsache der Pandemie ändern sie allerdings auch nichts. Dafür bietet mir das gleiche Euractiv die Information, dass noch in dieser Woche Ungarn von Russland als Zeichen der ewig dauernden Freundschaft zwischen Wladimir Wladimirowitsch und Urban Orban genau dosierte 10 Impfdosen erhalten wird. Immerhin.

Und was, bitteschön, ist denn nun wieder in Peru los? Jetzt ist der provisorische Präsident Manuel Merino nach vier Tagen im Amt schon wieder zurückgetreten aufgrund von massiven Straßen­pro­testen, nachdem die Oppositionsparteien im Kongress den Rücktritt von Martin Vizcarra erzwungen hatten. Er sei korrupt, lauteten die Vorwürfe, was in Peru allerdings normalerweise kein Vorwurf ist, sondern nur eine Feststellung. Mein Liebling in dieser Beziehung ist Alan Garcia, der 2016 zum dritten Mal als Präsident kandidierte, und zwar von Madrid aus, wobei ich mir nicht sicher bin, ob er ein Nachbar von Mario Vargas Llosa war, der ihn nach seiner ersten Präsidentschaft ablösen wollte, aber gegen Alberto Fujimori verlor, der später in den Knast musste wegen Korruption und von seiner Tochter Keiko beerbt wurde. Alan Garcia erhielt 2016 nur noch ein paar Prozent der Stimmen, und als er im Jahr 2018 tatsächlich nach Peru zurückkehrte, um wegen des Odebrecht-Korruptionsfalles auszusagen, wurde er zuerst in Quarantäne gesetzt und 2019 verhaftet, wobei er sich bei dieser Gelegenheit erschoss. Dazwischen lag seine zweite Präsidentschaft von 2006 bis 2011. Vizcarra korrupt? Sicher nicht mehr als seine Vorgänger Toledo und Ollanta Humala. Dagegen fällt das Urteil über Pedro Pablo Kuczynski etwas milder aus, nicht nur, weil er Keiko Fujimori als Präsidentin verhindert hat, und auch Martin Vizcarra schneidet recht ordentlich ab. Sein Schicksal wurde, mindestens vorläufig, wie gesagt vom Kongress besiegelt, nachdem ihn dieser schon vor einem Jahr als amtsunfähig hatte erklären lassen. Seiner Beliebtheit bei der Bevölkerung tut dies keinen Abbruch, wie man sieht.

Hier findest du alle Kolumnen von Albert Jörimann von 2007 bis heute.

Albert Jörimann
17.11.2020

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