Aktuell

Das Programm von heute
00:00 The New Noize
Nice Boys Don't Play Rock 'n' Roll
05:00 Offene Sendefläche
nach § 34 ThürLMG
09:00 Thüringer Lokalrunde
Lokalradios im Austausch
10:00 F.R.E.I.– Jazz
Eine Stunde Jazz
11:00 N.I.A. - nackt im aquarium
feministisches auf Radio F.R.E.I.
12:00 handmade
Regionale Musik
13:00 Sondersendung
"what could have been"
14:00 Radio Bounce
Zu Fett fürs Ballett
15:00 A-Z!
Das Informationsmagazin!
17:00 Osmose
Sendungen Freier Radios
18:00 Thüringer Lokalrunde
Lokalradios im Austausch
19:00 F.R.E.I.– Jazz
Eine Stunde Jazz
20:00 Südnordfunk
Aus Print mach mehr - iz3w on air
21:00 Hitbattle
Musikdomino
22:00 Jamaica Feelings
Reggae, Ska, Dub

"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Elektroautos

Der Sprecher der US-Umweltschutzbehörde James Hewitt meinte vor ein paar Tagen, es sei immer wieder interessant zu beobachten, wie US-Unternehmen ihre Einstellungen ändern. Dem ist nichts beizufügen außer vielleicht dem Verweis auf die übergeordnete Aussage:

artikel/Aus neutraler Sicht/J_KW_49_200px.png


>>>Download

Am Grunde der Moldau wandern die Steine. Den konkreten Anlass zu seiner Aussage bot die Firma General Motors, die sich von einer Sammelklage der führenden US-Automobilhersteller gegen die neuen Umwelt¬ge¬setze des Bundesstaates Kalifornien zurückgezogen hatte und die anderen Autoproduzenten auf¬forderte, sich ihr anzuschließen. Mit dieser Sammelklage unterstützten sie die Regierung Trump, welche es Kalifornien verbieten wollte, eigene Standards zu errichten. Nun ist die Regierung Trump Geschichte, und Mary Barra, die oberste Chefin von GM, verfasste umgehend einen Brief an die wichtigsten US-Umweltschutzverbände, in denen sie verkündete, dass die hoch gesteckten Ziele zur Umstellung auf Elektroautos des neu gewählten Präsidenten und des Bundesstaates Kalifornien identisch seien mit jenen von General Motors. Man müsse sich energisch gegen den Klimawandel einsetzen und die Emissionen des Automobilverkehrs drastisch reduzieren.

Schön, was? Die Klage wurde im Oktober 2019 eingereicht. Ein Jahr und eine Wahlniederlage später ist sie Schnee von gestern, vor allem aber will sich GM mit Feuereifer auf die Produktion von Elektromotoren stürzen und die geplanten Investitionen dafür nochmals um einen Drittel anheben. Und das weiß GM erst seit dem 3. November? Nun, möglicherweise sind die Aussichten auf eine Bezuschussung der Elektromobilität sprunghaft besser geworden, möglicherweise justament im Umfang der erwähnten Erhöhung um 35%, ja, das ist durchaus möglich beziehungsweise es ist derart wahrscheinlich, dass man die 35% direkt zurückrechnen kann auf die Pläne der Adminis¬tra¬tion Biden. Es hat also alles seine Richtigkeit. Auch seine Richtigkeit hat es, dass nun die Auto¬mobilindustrie zur mächtigsten Verbündeten der Umweltbewegung geworden ist und die Klima¬erwärmung, welche sie selber verursacht hat, nun sozusagen mit Atomwaffen bekämpfen will. So ändern sich die Zeiten, und es soll niemand sagen, dass es gar keinen Unterschied gebe zwischen der Administration Biden und derjenigen des Vorgänger-Trottels. Der im Übrigen nach wie vor dergleichen tut, als hätte er die Wahl gar nicht verloren; da man weiß, dass dieses Exemplar nicht bei Trost ist, nimmt man das nicht allzu ernst, aber dennoch verbleiben Spurenelemente des Zwei¬fels, ob er nicht am Schluss doch noch versuchen könnte, vermittels eines Staatsstreichs an der Macht zu bleiben. Jedenfalls ist er überzeugt davon, dass sich der Oberste Gerichtshof der Verei¬nigten Staaten zu seinen Gunsten aussprechen würde, wenn es ihm bloß gelänge, mit irgendeinem seiner dreitausend Prozessanträge bis dorthin durchzudringen; aber auch hier muss man nochmals im Ernst darauf hinweisen, dass es sich bei den Obersten Richterinnen und Richtern nicht um ein-, sondern um aus¬gebildete Juristinnen handelt, die zwar eine konservative oder reaktionäre oder bigotte Einstellung haben mögen zu ganz unterschiedlichen Dingen, die sich aber doch an geltendes Recht halten, und somit sind Trumps Hoffnungen ebenso aussichtslos wie unsere Restzweifel unbegründet.

Nur das Staunen bleibt. Die Jungs lügen derart umfassend und lange, dass sie am Schluss selber daran glauben, was sie sagen. Trump hat die Wahlen gewonnen, die Erde ist flach, da stehe ich mit weit offenem Mund in der Wiese und weiß nicht, wie mir geschieht beziehungsweise ihnen, denen, welche es schaffen, den alleroffensichtlichsten Unsinn zu glauben. Das erinnert mich übrigens an ein Urteil einer europäischen Gerichtsinstanz vom Juli dieses Jahres, welche es der Europäischen Union verboten hat, von Apple 13 Milliarden Euro an Steuern einzutreiben, welche diese wegen illegaler Beihilfen durch den irischen Staat nicht hatte entrichten müssen – dieser hatte Apple beziehungsweise ihre irischen Niederlassungen Apple Sales International und Apple Operations Europe über 20 Jahre hinweg steuerlich bevorzugt behandelt mit einem Gewinnsteuersatz von gerade mal 0.005% für das Jahr 2014. Bereits zuvor hatte es für die EU-Kommission beziehungs-weise deren Wettbewerbskommissarin Margarete Vestager eine Niederlage abgesetzt im Fall von Starbucks, von welcher die Kommission eine Nachsteuer von 30 Millionen in Holland gefordert hatte. Ähnliche Fälle betreffen Ikea und Nike in den Niederlanden und Hutamaki in Luxemburg. Lösen kann man solche Fälle wohl nur durch die Anpassung des EU-Rechts oder dadurch, dass die Europäische Kommission beginnt, von multinationalen Konzernen selbständig Steuern einzu¬trei-ben. Ich will gar nicht wissen, wie viele Millionen Apple, Starbucks, Nike und Ikea bereits an Schmiergeldern für die EU-Parlamentarier ausgegeben haben, um ihre Milliarden-Steuerprivilegien in den einzelnen Ländern zu sichern. Ob das nun ausreicht angesichts der Tatsache, dass die EU selber Geld aufnehmen will, um die Mitgliedländer in der Corona-Krise zu unterstützen, ist schwer zu sagen, vor allem, weil bekanntlich das polnische und das ungarische Veto wegen der Rechts¬staats¬klausel die Genehmigung eines ordentlichen Budgets noch bis ins nächste Jahr hinauszögern wird, mindestens so lange, bis ihnen aus dem EU-Notbudget keine Mittel mehr zufließen. Auf dieses Geheul muss man sich in musikalischer Hinsicht jetzt schon tierisch freuen. Und ich habe keine Ahnung, weshalb mir all das ausgerechnet im Zusammenhang mit der verblassenden Null¬stelle auf dem US-amerikanischen Präsidentenstuhl in den Sinn kommt.

Vor gut einem Jahr begann das Ende der Demokratie-Bewegung in Hongkong. Ich würde das gerne so misslich finden, wie es ist, aber es gelingt mir nicht so recht. Dass die Volksrepublik China ihre eigenen vollmundigen Versprechen bezüglich der Freiheiten von Hongkong gründlich gebrochen hat, kann man ihr einfach nicht vorwerfen, denn was ist schon ein Versprechen im Vergleich mit der Volksrepublik China? Die Volksrepublik China, das Reich der Mitte, welches tatsächlich in Peking den Mittelpunkt der Erde vorweisen kann, ist nicht an Verträge gebunden, sondern an ihr Interesse respektive an ihre Identität. Die kolonialen Überreste von Hongkong sind unterdessen getilgt, die Stadt gleichgeschaltet mit dem Rest des Landes, und das heißt unter anderem Wohlstand und vermutlich auch die dazu gehörigen inneren Widersprüche, welche aber nun mal nicht jene sind, die man in einem britischen Demokratieverständnis finden kann. Vor dieser Tatsache muss man sich mit dem Ausdruck des allerhöchsten Bedauerns verneigen und kann noch ein leises «Fuck People's Republic of China» hinten anfügen. Leise darum, weil die Verdienste mit der Entwicklung des Landes und eben des Lebensstandards innerhalb von allerkürzester Zeit derart monströs sind, dass die Demokratiefrage im Vergleich dazu nicht mal ein Dämmerlicht abgibt. Man kann die Volksrepublik China auch wegen der umfassenden Überwachung und dem allgemeinen Knöllchen-Register kritisieren; mir passt das auch nicht, aber wenn ich mir vorstelle, dass bei uns zum Beispiel die Automobilkonzerne seit ein paar Jahren den gesamten Datenfluss in ihren Automobilen, inklusive ein- und ausgehende Telefonie und Internet, auf ihren Servern speichern und dass kein Mensch davon ein Aufhebens macht, werde ich mit meiner China-Kritik wieder etwas schlapp. Bei den Uiguren liegt nach meinem Informationsstand, der allerdings aus Meldungen einer Presse mit grundsätzlich negativem China-Bild stammt, eine echte Verletzung sogar der eigenen chinesischen Grundsätze vor. Hier und wohl auch im Fall von Tibet kann man das «Fuck People's Republic of China» schon deutlich lauter sagen. Meine persönliche Hauptkritik, nicht nur an China, aber eben auch an China wäre sowieso die, dass die neuen Technologien mit dem Höchststand der Pro¬duk¬tivkräfte eigentlich zur Befreiung der Menschen dienen sollte und nicht zu ihrer Uniformierung und damit letztlich zum Verlust der Individualität. Das moderne menschliche Kollektiv muss nach meinem Wissensstand aus freien Individuen gebildet werden, nicht aus gleichförmigen Backsteinen. China sieht das offensichtlich anders und hat Erfolg damit. Dieser Erfolg gibt dem Kaiserreich aber nicht Recht. Auch einen Kaiser brauchen wir keinen mehr. Damit dies auch noch gesagt ist, bevor ich wieder auf mein leises Bedauern in Bezug auf Hongkong zurückkomme – es nutzt einfach nix.

Die CDU wählt demnächst ihren Parteivorsitzenden, habe ich gehört, und hat da im Moment nicht gerade eine prachtvolle Auswahl. Namentlich der Friedrich Merz, der vielleicht nicht einmal so dumm ist, aber eindeutig ein oder zwei Privatjets zu viel hat für einen deutschen Parteivorsitzenden, bleibt mir ein Rätsel, also es bleibt mir ein Rätsel, wie man so jemanden nur schon vorschlagen kann. Es gibt ja auch Beraterverträge, habe ich mir sagen lassen, also stellt den doch als Berater an, das reicht vollkommen. Daneben bin ich natürlich mit den anderen Kandidaten auch nicht zufrieden, wie könnte ich auch; das Erbe von Angela Merkel ist einfach zu groß, als dass man es gleich von Beginn weg antreten könnte, wie nicht zuletzt Frau Kramp-Karrenbauer schon mal vorweg am eigenen Leib erfahren hat. Immerhin besteht Frau Merkels Erbe auch im Präsidium der EU-Kommission, wo sich Frau von der Leyen so lange halten möge, wie es ihr und der Kommission und dem Parlament gefällt, aber ich sage es jetzt schon: Der nächste Kommissions¬präsident oder die nächste Kommissionspräsidentin muss aus den neuen Bundesländern kommen! Also der Europäischen Union, natürlich, also aus dem Baltikum oder aus Polen, Ungarn, Slowenien, der Slowakei oder Kroatien, oder sogar aus der Tschechischen Republik. Als Gegenpol zur portugiesischen Brühwurst Barroso müsste es jemand sein aus Estland oder Lettland. Ich hoffe, ich habe damit die Kandidatinnensuche lanciert.
Und wer wird dann im nächsten Jahr Kanzler? Ich nehme nicht an, dass das Land nochmals eine Frau als Kanzlerin erträgt, also muss ein Mann her. Er wird aus einer Koalition zwischen CDU/CSU und den Grünen entspringen, Söder und Habeck stehen dabei als Kandidaten fest, die CDU muss noch eine Person definieren. Mal sehen. Wir in der neutralen Schweiz nehmen sowieso einen jeden, sogar einen Grünen. Wir würden sogar einen Kanzler oder eine Kanzlerin unterstützen, die der Partei Die Linke entspringt, auch wenn unsere Ordnungskräfte genau wie in Deutschland noch an einem antirevolutionären oder autoritären Reflex leiden. Aber da muss man nun mal durch. Allerdings müsste sich euer Land und vor allem sein Osten dafür zuerst darüber im Klaren sein, dass man jetzt die wahnsinnigen Fortschritte in Produktivität und Wohlstand endlich einmal in die moderne soziale Organisation umsetzen sollte, und damit meine ich nicht nur die Abschaffung von Hartz IV und die Einführung eines ordentlichen Grundeinkommens. Wohlstand und Freiheit für alle – wann waren die Voraussetzungen dafür besser als heute?

Hier findest du alle Kolumnen von Albert Jörimann von 2007 bis heute.

Albert Jörimann
01.12.2020

Kommentare

Zu diesem Artikel sind keine Kommentare vorhanden.

Kommentar hinzufügen


Optional, wird nicht veröffentlicht.