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Aus neutraler Sicht von Albert Jörimann "US-Südgrenze"

[03. Kalenderwoche]
Besonders faszinierend an der Tea-Party-Bewegung ist der vollkommene Verzicht auf die Logik, die grundsätzlich als parteiische Logik wahrgenommen wird.



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Das ist nicht neu. Sobald die Logik da Reservat der Philosophie verlässt bzw. je stärker sie sich in Richtung Politik bewegt, desto mehr muss sie sich auf Prämissen abstützen, also auf undiskutierbare Grundsätze wie z.B. die Menschenrechte oder, etwas weniger hoch geschraubt, auf soziale oder ökonomische Thesen wie zum Beispiel jene von der unsichtbaren Hand des Marktes, welche den Kern einer ökonomischen Theologie begründet. Und noch in der wirtschaftsliberalen Theologie gibt es Ketzer und Kritiker neben den Vertretern der reinen Lehre, welche sich ebenfalls nicht einig sind, wo die reinste Reinheit liegt, Friedrich August von Hayek, Wilhelm Röpke oder vielleicht gar Hans Werner Sinn? – Aber Scherz beiseite: Während der Verzicht auf Logik in einigen Fällen durchaus schöne und halluzinogene Resultate hervor bringt, wird er im Fall der US-amerikanischen Tea Party zur puren Paranoia. Die Jungs und Mädels bewaffnen sich bis an die Brustnippel, weil sie befürchten, dass der Zentralstaat ansetzt zum Sprung auf die einzelnen Individuen und diese in Konzentrationslager internieren will. Naja – das sind ebenfalls Halluzinationen, aber der traurigen Sorte, weil sie keinen Deut zu tun haben mit der Hauptaufgabe des modernen Menschen, nämlich der Einrichtung und dem Betrieb einer modernen Gesellschaft.

In der Tat beinhalten die politischen Prämissen, gegen die sich die Tea Party wendet wie ein Bienenschwarm gegen einen Eindringling, justament die verschiedenen Organe und Institutionen, welche die zeitgenössische menschliche Gemeinschaft ausbilden muss, um den globalen Reichtum nicht nur zu erzeugen, sondern auch halbwegs ökologisch zu erzeugen und halbwegs sozial zu verteilen. Wer sich zur Wehr setzt, nicht gegen einzelne Elemente einer solchen Struktur, sondern gegen die Strukturbildung insgesamt, den kann ich aus meiner Warte nur als geradeaus tollwütig bezeichnen, und dagegen hilft mir auch keine Logik, ebenso wenig wie mir irgendwelche Repressalien zur Verfügung stünden, mit denen ich diese Gebissenen zur Raison bringen könnte. Das erste Ergebnis ihrer Raserei haben wir vor etwas mehr als einer Woche gesehen mit dem Anschlag auf die demokratische Abgeordnete Giffords, wobei mich, wie gesagt, stark wundert, dass es nicht sofort für das Hauptobjekt des Irrsins gehandelt hat, nämlich Barack Obama himself. Aber der wird vermutlich doch zu gut geschützt von der Leibgarde und von den Geheimdiensten; so muss sich die Tea Party halt in diesen Kreisen umsehen, vielleicht hat einer der Leibwächter ein Herz für Geistesgestörte und lässt sich instrumentalisieren, so wie dies vor ein paar Tagen in einer pakistanischen Provinz der Fall war. Damit wäre dann auch der ideale Beweis erbracht, dass zwischen die islamistischen Fundamentalisten und die US-amerikanische Tea Party kein Blatt Papier passt – die sind wirklich absolut identisch.

Eine weitere offene Frage bezüglich der Vereinigten Staaten von Amerika betrifft die Südgrenze. Präsident Wilhelm Busch wollte dort einen elektrischen Abfangzaun zeichnen, nein: errichten lassen, und zwar von der Firma Boeing, die für ein paar Dutzend Kilometer dieser Anlage bereits ein paar hundert Millionen Regierungsgelder eingesackt hat, ich nehme an, dass ein Teil davon als Wahlkampfspenden in den Kassen der republikanischen Partei klingelt. Jetzt wurde das Projekt eingestellt, und stattdessen behilft sich Washington mit Drohnen und ähnlichen Späßen. Unterdessen hat sich aber offenbar auf der Südseite dieser Grenze, also im Norden von Mexiko, so etwas wie ein Todesgürtel etabliert, in dem die Zulieferer von Drogen und Prostituierten ins nördliche Nachbarland die uneingeschränkte Macht ausüben, und zwar ebenfalls völlig ohne irgendwelche zivilisatorische Prämissen. Ich frage mich nun also, weshalb die mexikanische und die US-Regierung noch kein Abkommen abgeschlossen haben, um diese Zone zu besetzen und wieder in jene Gebiete auf dem Globus zurückzuführen, die man gemeinhin zivilisiert nennt. Es ist mir schon klar, dass der mexikanische Präsident den USA keine Gebiete abtreten wird, aber ein gemeinsames Militärmanöver müsste sich doch ohne schwerwiegende innenpolitische Konsequenzen durchführen lassen. Der Austausch von Beobachtern und Beratern hat sowieso eine lange Tradition, und zwar nicht nur oder vor allem zwischen den USA und Mexiko, sondern in sämtlichen Krisenregionen der gesamten Welt. Diese gute alte Tradition hat zum Sturz von Dutzenden von demokratisch gewählten Regierungen geführt; aber ausgerechnet um die Beseitigung des übelsten Kriminellen-Landstrichs an der eigenen Südgrenze will die US-Regierung keine Gelder und Kapazitäten frei machen? – Das erscheint mir absolut unplausibel, und somit muss ich die Antwort in einer anderen Richtung suchen. Eine Möglichkeit besteht darin, dass es den USA gerade recht kommt, den anhaltenden massiven Migrationsdruck von Lateinamerika her in einer Zone der verbrannten Erde vor der Südgrenze abzudämpfen. Einfache Migranten können in den USA relativ leicht versickern, aber Drogenkuriere und Prostituierte bewegen sich in relativ klar umrissenen Bahnen und können bei Bedarf relativ schnell eliminiert werden.

Das ist zwar eher plausibel, aber anderseits haben die USA mit Mexiko und mit Kanada die nordamerikanische Freihandelszone geschaffen, und die müsste über kurz oder lang doch auch zum weitgehend freien Verkehr von Personen führen. Wir kennen das von der EU: Nach der Öffnung der Ostgrenze zu Polen wanderten die Grenzkontrollen weiter in den Osten zur Grenze nach Weißrussland; und ungefähr so müsste die Sache vonstatten gehen im Rahmen der NAFTA, das heißt, anstatt einen elektronischen Zaun gegenüber Mexiko zu bauen, müsste man die Grenzkontrolle an der Südgrenze Mexikos ausbauen. Das wäre sowieso viel kostengünstiger, wenn auch Boeing vielleicht nicht direkt zum Zuge käme.

Stattdessen dieses Gemetzel, verbunden mit der Auflösung der gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen. Als dritter eigenständiger Faktor kommen noch die Drogen in Betracht, hauptsächlich Kokain, nehme ich an. Es versteht sich von selber, dass zur liberalen Wirtschafts-Theologie eine Managerklasse gehört, welche dieser Theorie Praxis verleiht, und gemäss meinen Vorurteilen wird diese Manager- und Banker-Klasse in den Vereinigten Staaten schwergewichtig mit der Droge Kokain betrieben. Aber das allein reicht doch noch nicht aus, um eine derartige Sauerei vor der eigenen Grenze zu tolerieren, wo nicht sogar selber zu verursachen?

Kalifornien , das ebenfalls an Mexiko angrenzt, ist meines Wissens weniger extrem betroffen von diesem spezifischen Problem, vielleicht aus historischen Gründen, vielleicht aus anderen; dafür ist der Bundesstaat so ziemlich pleite. Dass er kein Geld mehr hat, hängt offenbar nicht zuletzt mit einer relativ fortschrittlichen Gesetzgebung zusammen, für die am Schluss niemand mehr zahlen konnte oder wollte. Angesichts von politischen Tendenzen im Stil der Tea Party fragt sich unsereiner, ob hier demnächst ein Bundesstaat effektiv in den Konkurs getrieben wird. Zwar gilt Kalifornien als moderner und aufgeklärter Landstrich, aber bei den Amerikanern weiß man nie so genau. Aus neutraler Sicht müsste man sich einen solchen Kollaps wünschen, damit man einmal konkret sähe, was das eben für die Institutionen bedeutet. Wenn nämlich alle öffentlichen Aufgaben privatisiert werden, dann bilden sich zwangsläufig Inseln mit wohlhabenden Menschen, welche sich nicht nur die Infrastrukturen, sondern auch ein stehendes Heer zu ihrem Schutze leisten können; rund herum breiten sich dann die Todeszonen aus wie an der mexikanischen Nordgrenze. Solche Überlegungen führen zwangsläufig zu Szenerien wie in den berühmten Mad-Max-Filmen, die wiederum in der Tradition der Spaghetti-Western stehen und wohl mindestens einen Teil der Tea-Party-Ideologie bebildern mit freien, d.h. einsamen, waffenstarrenden Individuen, welche einen verzweifelten Kampf führen zum Schutz vergelsterter Weiber und Kinder.

Clint Eastwood war lange ein solcher Prototyp, auch in seinen Dirty-Harry-Filmen. Neben dem äußerst freiwilligen Umgang mit dem Gesetz, das sich immer einer, nämlich seiner Gerechtigkeit unterordnen musste, standen und stehen bei Clint Eastwood in jedem Falle die Weiber und Kinder im Kern der Historie. Bei Eastwood allerdings bleibt der Familienschmuck nicht eine ideologische Beigabe, sondern er steigert die Verehrung dieser Sphäre ins Absolute; im Gegensatz zu den durchaus mit Brüchen behafteten und unbeholfen eindimensionalen männlichen Haupthelden sind seine Schnuckis wahrhafte Göttinnen, auch bzw. gerade wenn sie durchaus mal eins aufs Maul kriegen. Aus diesem Grund ist Eastwood letztlich auch nicht Tea-Party-tauglich, obwohl er meines Erinnerns vor Jahren mal im echten Leben als Bürgermeister in seinem Wohnort amtiert oder als Sheriff geschossen hat; im Film wie wohl auch im richtigen Leben stößt er aber auf die Institutionen über den Umweg der Frauen. Das kann man zum Beispiel Sarah Palin nicht wirklich vorwerfen oder zugute schreiben. Die kennt nichts, und das ist wörtlich zu nehmen.

Schöne Rätsel hält das Leben für uns bereit, unter anderem eben jenes der Supermacht USA. Militärisch und politisch befindet sie sich nach wie vor auf dem Zenith ihrer Macht, aber ökonomisch und vor allem sozial scheinen ganze Landstriche verstrahlt und verseucht. Wirtschaftlich bzw. finanziell vermag das Land die dringend nötigen Infrastrukturarbeiten nicht zu schultern, und im sozialen, politischen und sozialpolitischen Bereich scheint die ganze Gesellschaft sich auf ein Opfer vorzubereiten, auf die ganz große politische Tragödie, nämlich auf den Präsidentenmord. Soll ich hier kalauern, dass die Sprache ihre eigene Sprache spricht? Das ist wohl nicht nötig. Aber damit sich die für die gesamte Welt offenkundigen Tatsachen auch ins Bewusstsein der US-amerikanischen Bevöllkerung einbrennen, ist allem Anschein nach ein Akt der Katharsis vonnöten, und dieser kann in nichts anderem bestehen, als in der mehr oder weniger öffentlichen Hinrichtung des Kommunisten-Hitlers Barack Obama und wenn möglich seines Hexen-Weibes Michelle.

Tut mir leid, aber rein logisch gesehen kann ich keine Alternative entdecken. Das einzige, was an Hoffnung bleibt, ist die Unlogik oder A-Logik in Gottes eigenem Land.





Albert Jörimann

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Albert Jörimann
11.01.2011

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