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"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Die Zukunft ist öffentlich -

Es ist wirklich verblüffend, wie die Philosophen die Welt verschieden interpretieren. Trotz der offensichtlich starken wirtschaftlichen Position Deutschlands auf der Welt und insbesondere innerhalb der EU sind nach wie vor einige Koryphäen der Ansicht, die Deutschen seien bei der Einführung des Euro über den Tisch gezogen worden.


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Vielleicht hätten sie die Lohnstückkosten in De-Mark noch stärker senken können, was weiß ich, oder aber die Koryphäen sprechen von den Beiträgen Deutschlands zum EU-Budget, was allerdings nicht direkt mit dem Euro zusammen hängt, ich weiß es nicht. Dagegen weiß ich, dass die meisten Philosophen die Lage genau anders rum sehen und zum Beispiel die Schwäche der südlichen EU-Länder darauf zurückführen, dass sie innerhalb der Euro-Zone ihre Währungen nicht mehr gleich abschwächen können wie früher. Und da ist sicher was dran. Italien zum Beispiel ist in den letzten 10 Jahren deutlich teurer geworden und Deutschland spottbillig. Was aber der Grund dafür ist und dafür, dass die Italiener früher immer wieder abgewertet haben, um auf den Märkten konkurrenzfähig zu bleiben, dafür bietet mir die Philosophie keine Erklärung. Immerhin gehören die tiefen Lebenshaltungskosten sicher auch zum Exporterfolg, indem eben die Lohnstückkosten im Vergleich zu den Mitbewerbern abnehmen, und zwar nicht wegen Produktivitätssteigerungen, sondern eben wegen der Währung, während gleichzeitig die Kaufkraft im Inland gewahrt bleibt oder sogar noch steigt. All das ist ein echtes Rätsel, von dem man nur die Auswirkungen sieht. Man weiß nicht einmal, ob die ganze Agenda 2010 bzw. die Einführung von Hartz IV tatsächlich eine Rolle spielte bei der Herausbildung beziehungsweise der Stärkung der wirtschaftlichen Vormachtstellung. Wie auch immer: Die Philosophen sind sich mindestens in der Beziehung fast einig, dass ein gewichtiger Teil der Euro-Probleme dort liegt, dass verschiedene Länder massiv in Deutschland eingekauft haben, ohne einen Gegenwert zu exportieren, weder nach Deutschland noch zu einem anderen Handelspartner. Wie das genau vor sich geht, kann ich nur erahnen, denn eigentlich findet das Geschäft nicht zwischen Ländern, sondern zwischen Unternehmen statt, und dort sollte die Bilanz am Schluss stimmen, Aber man soll den Philosophen ja nicht in ihr Geschäft drein reden.

Es gibt natürlich auch Aufträge, welche vom Staat finanziert werden. Wenn z.B. der italienische Staat eine Hochgeschwindigkeitsverbindung von Mailand nach Lyon erstellt und die dazu notwendigen Arbeiten im Wert von, sagen wir mal 10 Milliarden Euro von italienischen Firmen ausführen lässt, dann fährt er in der Staatsbuchhaltung besser, auch wenn eine deutsche Firma ein Angebot von, sagen wir mal 5 Milliarden Euro eingereicht hätte. Zwar müsste er den Zuschlag aufgrund des EU-Ausschreibungsrechtes sowieso an die deutsche Firma vergeben, aber eben, wenn der Auftrag in Italien bleibt, dann kommen von diesen 10 Milliarden Euro vielleicht 1 Milliarde direkt wieder in die Staatskasse über Steuern und Abgaben, während mit, sagen wir mal 5 Milliarden Euro Stellen gesichert werden, deren Inhaber man andernfalls mit der Arbeitslosenkasse durchfüttern müsste. Die restlichen 4 Milliarden gehen dann wohl in den Erhalt der guten Beziehungen zwischen Bauindustrie und Politik. Aber das ist ein philosophisches Nebenthema.

Die Philosophen stellen uns dieses Missverhältnis unter den Ländern auch immer wieder dar wie eine neue Form der Kriegsführung, und auf der Ebene können die Deutschen nicht mit vielen Sympathien rechnen. Sie schlagen ideologisch zurück mit der Unterstellung, dass sie ihren Laden einfach besser im Griff hätten als die anderen Länder. Das wiederum erscheint mir ein ehrenhaftes Argument, denn wer möchte schon ein Land organisieren auf der Grundlage von Schlendrian, Vergeudung von Ressourcen oder gar von Mafiastrukturen? – Mit Ausnahme natürlich jener Menschen, die davon in der einen oder anderen Art und Weise profitieren. Aber grundsätzlich würden wir uns schon eine ordentliche Organisation wünschen, weil wir nämlich davon ausgehen, dass dann nicht nur die Dinge besser laufen, sondern dass wir auch weniger zu tun haben. Hier ist aber auch wieder das Gegenteil der Fall. Je effizienter organisiert und gearbeitet wird, desto mehr müssen die Menschen sich ran halten. Das ist eigentlich nicht lustig, es sei denn, die Weltge­schichte hätte eine Tendenz zur Beschleunigung, welche auch den ganzen Menschen umfasst in dem Sinne, dass er in seinem immer längeren Leben immer schnellere Kadenzen nicht nur gehen muss, sondern auch will und kann.
Davon abgesehen würde man meinen, die Zeit sei jetzt dann ungefähr reif, dass man das ganze wirtschaftlich-soziale Räderwerk mindestens auf dem ganzen Kontinent Europa einigermaßen vereinheitlichen könnte, natürlich nach den Vorgaben der Best Practice, versteht sich. Auf Stufe der Unternehmen hat es sich ja längst etabliert, dass die Beschaffung international erfolgt, und zwar nicht nur auf kontinentaler Ebene, sondern global. Aber allem Anschein nach sind die Interessens­klüngel in den einzelnen Ländern nach wie vor zu stark, um die so genannten Flurbereinigungen zuzulassen. Vielleicht ist die Zeit dann reif, wenn die Agrarsubventionen abgeschafft werden, wodurch wieder gewisse Mittel für eine neue Strukturpolitik frei werden. Daneben sieht der Konkurrenzkampf innerhalb der EU mindestens für den Außenstehenden im Moment ziemlich behämmert aus, und wie gesagt: Als Gewinner stehen im Moment die Deutschen da, soweit dies nicht einfach die Interpretation einer postzynismuskritischen Philosophierichtung ist, welche im Moment einfach die Deutungshoheit hat.

Die Wirtschaft als solche hat sich entgegen meinen Prognosen noch immer nicht aus dem Laufgitter der Automobilindustrie befreit. Hier hat in den letzten Jahren ein technologischer Schub stattgefunden, welcher einerseits den Verbrauch an Treibstoff massiv gesenkt hat und anderseits die Fahrzeuge mit soviel Intelligenz ausgestattet, dass die bald einmal zum Abitur zugelassen werden, sofern hier ebenfalls Spezialabteilungen eingerichtet werden wie an den normalen öffentlichen Schulen. Tatsächlich, der Durchschnittsmensch braucht eigentlich nicht mehr selber zu lenken und zu parkieren oder ans Auftanken zu denken, das erledigt das Gerät ganz automatisch. Ich will mir gar nicht vorstellen, welche Veränderungen sich in der Beziehung des Menschen zu seinem Fahrzeug daraus ergeben. Früher war das ja wenigstens noch so etwas wie ein Fetisch, aber heute bildet so eine Maschine wohl schon einen integrierenden Teil der Persönlichkeit. Abgesehen davon, dass mir das auf den Keks geht, vor allem, weil ich der Ansicht bin, dass kollektive Bedürfnisse nach Mobilität auch nach Möglichkeit kollektiv zu befriedigen sind, aber abgesehen davon kann ich mich eines gewissen anerkennenden Staunens nicht erwehren. Wenn ich zu diesen intelligenten Fahrzeugen noch die anderen Geräte hinzu zähle, die unmittelbar vor der allgemeinen Markteinführung stehen, und ich spreche hier nicht vom Staubsauger-Roboter, der heute ein fester Bestandteil eines jeden Arbeiterhaushaltes ist, sondern ich spreche z.B. von den persönlichen Drohnen bzw. von den ferngesteuerten Mini-Helikoptern, welche noch in diesem Jahr für unter 1000 Dollars zu haben sind, zu steuern mit der gleichen Software wie bei den Flugsimulatoren auf dem PC beziehungsweise mit der Automobil-Elektronik, und ausgestattet können diese Kleinstfluggeräte mit allem werden, was das Herz begehrt, wobei es in erster Linie wohl weniger Napalmbomben sein werden für den lieben Nachbarn als vielmehr Überwachungskameras, neben gewissen Anwendungen zum Beispiel für die Feuerwehr, die mit solchen Geräten vorsondieren kann, ob bei einem Brand giftige Gase entweichen usw. usf., wenn ich mir also ein Bild davon mache, mit welchen Geräten der Haushalt in nächster Zeit ausgestattet wird, dann wird mir wieder ganz warm ums Herz, und ich bin froh, dass ich noch keinen 3-D-Drucker gekauft habe, denn da kann mir meine Freundin ein schönes Geschenk machen zu Weihnachten.

Ich stelle mir vor, wie der Himmel über Zürich und über Erfurt in Zukunft voll sein wird mit überdimensionierten Heuschrecken, die hoffentlich nicht mit Benzinmotoren ausgestattet sind, denn dieses Gesumms hält man nicht aus; aber die Teilchen werden wohl mit Elektromotoren fliegen und somit bloß optisch einen dummen Eindruck machen. Die Navigation muss dabei neben der Fernsteuerung des Eigentümers mit einer GPS-Steuerung erfolgen, welche Kollisionen mit den anderen Minihelikoptern vermeidet, aber dann geht’s hoppla.

In der Medizin sind wir unterdessen auch soweit, dass wir die Menschen chippen können, also ausstatten mit Miniatursensoren, welche sofort melden, wenn der Zuckergehalt im Blut absinkt. Wenn Du dabei noch in einem Auto sitzst und interaktiv verbunden bis mit dem, dann steuert das sofort den nächsten Tankstellenshop an und erwirbt für dich einen Schokoriegel. Zusammen mit dem voll überwachten E-Mail- und Telefonverkehr bist du innerhalb von 10 Jahren bloß noch dein eigener Avatar, der sich auf einem Überwachungsbildschirm der Firma Google bewegt, welche bis dann einen Zusammenarbeitsvertrag mit den zuständigen Bundesämtern, nämlich jenem für Polizeiwesen und jenem für Gesundheit, abgeschlossen hat. Ich bin durchaus gespannt, wie die durchschnittlichen Individuen auf diese Entwicklung reagieren. Ein Teil davon, soviel leuchtet mir jetzt schon ein, wird versuchen, Geräte zu benutzen, welche komplett offline sind, also Computer ohne jeden Internetanschluss oder auch ganz simpel Papier und Tinte. Die Post wird damit eine Zeitlang zum Medium für Geheimbriefsachen, und dann wird aus Sicherheitsgründen der Briefverkehr auf Papier verboten.

Achnein, soweit wird’s nicht kommen. Aber die Technologie dafür, die steht bereit, und wo diese Technologien vorhanden sind, wäre es sehr verblüffend, wenn niemand versuchen würde, sie auch tatsächlich einzusetzen. Hier steht, neben den an dieser Stelle immer wieder angemahnten Mängeln im Schauspiel der Demokratie, welches eben keine echte Demokratie ist und den sowieso nicht besonders gut informierten Bürgern praktisch keinerlei Mitbestimmungsrecht einräumt, neben diesen Mängeln also steht hier demnächst eine vermutlich recht lange dauernde Auseinandersetzung bevor zwischen ebendiesen Bürgerinnen und Bürgern und den VertreterInnen der verschiedenen Firmen, aber vor allem der zuständigen staatlichen Instanzen, welche ihren Zugriff auf die BewohnerInnen jetzt endlich auf 100% ausbauen möchten. Ich rate vorauseilend zur Gründung von Widerstandszellen. Wenn es sie dann in 10 Jahren nicht gebraucht haben sollte, umso besser.


Hier findest du alle Kolumnen von Albert Jörimann von 2007 bis heute.

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26.03.2013

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