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Kommentar zum Weltklimagipfel

Der Klimagipfel droht zu scheitern.



Kommentar Weltklimagipfel

Die Interessen der sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer auf der einen und denen der Industrienationen auf der anderen Seite scheinen unvereinbar. Vielleicht sind die verhärteten Fronten auf der Ebene der Beamten und Diplomaten im bisherigen Streit um verbindliche CO-2-Reduktionsziele und Finanzzusagen nichts anderes als das Schachern um möglichst günstige Verhandlungspositionen für die morgen eintreffenden Staats- und Regierungschefs.

Aber eines ist absehbar: die Erwartung an eine grundlegend veränderte Haltung der Menschheit gegenüber ihren eigenen natürlichen Lebensgrundlagen bleibt eine aberwitzige Illusion. Nichts anderes aber als eine grundlegend, also existenziell andere Haltung wäre jedoch die Bedingung für ein Ende des Raubbaus an uns selbst. Warum, jedoch, ist ein solches Nicht-Ergebnis beim Klimagipfel in Kopenhagen bereits absehbar? Und wieso ist eine notwendige Veränderung gerade von einem Treffen sämtlicher Spitzenpolitiker dieser Welt nicht zu erwarten? Nun könnte man die Antworten auf diese Fragen in einer grundsätzlichen kritischen Analyse des globalen Kapitalismus suchen. Man könnte „Das Kapital“ von Karl Marx zu Rate ziehen oder sich je nach Geschmack auch mit anderen Theoretikern unserer Lebensweise auseinandersetzen. Sicher kein unnützer Weg. Nur braucht es diese etwas exklusiven Methoden nicht, um auf Straßen, an Arbeitsplätzen oder unter Freunden ausreichend deutliche Hinweise dafür zu finden, daß uns allen ein Gespür innewohnt, für die rasend stille Logik, die der Ordnung unserer Welt und der Art und Weise wie wir unsere Existenz Tag für Tag zu sichern suchen, vorausgesetzt ist. „Es geht doch nur ums Geld“ oder „Profit, Profit, Profit, darum dreht sich doch hier alles!“, man kann ihn an jeder Ecke hören, den resignierten Konsens unserer Zeit. Ob nun die einen in Klassen denken, nach oben zeigen und die Politiker als Verschwörungsgemeinschaft mit raffenden Großkonzernen betrachten oder ob andere sich selbst und die eigene Verantwortung in ihrer Weltsicht mit in Betracht ziehen, ein Ergebnis bleibt immer gleich: kaum jemand glaubt noch wirklich daran, daß das, was wir heute Politik nennen, die tatsächliche Sphäre wesentlicher Entscheidungen ist, eine Sphäre in der Menschen unmittelbar ihre Bedürfnisse ausdrücken und regeln, eine Sphäre, die eine ganz andere stille, nämlich unabänderliche Voraussetzung hätte: die Garantie für jeden Menschen auf ein lebenswertes Leben. Ja, so ein Satz muß beinahe naiv klingen, empfinden wir es doch mittlerweile als so etwas wie ein Naturgesetz, daß nichts was wir für unser Leben brauchen und was von Menschenhand hergestellt wird in die Welt kommt, weil wir es brauchen, sondern weil es sich verkaufen lassen muß. Tatsächlich scheint es so, als könne eher die Anziehungskraft der Erde aufgehoben werden, als könne eher ein Apfel irgendwann nach oben fallen, als daß wir beginnen würden jene Logik wirksam in Zweifel zu ziehen. Und klar, die grundlegenden Muster unserer heutigen Welt sitzen beängstigend tief in sämtlichen unserer Lebensbereiche, sitzen tief in unserem Fleisch. Die einen ignorieren das oder halten das für das Wesen des Menschen, andere sehen es und werden zynisch, wieder andere versuchen auszusteigen und scheitern daran. Und wieder ist eines allen gemein, selbst dem Zyniker und dem Ignoranten: Es gab oder es gibt eine Hoffnung auf ein lebenswertes Leben auf einer lebenswerten Erde. Aber weil diese Hoffnung immer wieder an der Ohnmacht des eigenen Fleisches zu Grunde zu gehen droht, werfen wir sie gern von uns, in eben jene Sphäre der Politik, an die wir eigentlich nicht mehr glauben, weil sie sichtbar nichts Wesentliches entscheidet, sondern lediglich verwaltet, immer mit dem Hinweis auf die Sachzwänge unserer Ökonomie. An keiner Figur der vergangenen Jahrzehnte wurde diese Projektionsleistung unserer Hoffnungen so deutlich wie an US-Präsident Barack Obama. Selbst hartgesottenste Kaptalismuskritiker konnten sich seines Charismas nicht entziehen. Ein Charisma, das alleiniger Grund für die Verleihung des Friedensnobelpreises wurde, bei dessen Übergabe Obama, gekleidet in die Zwangsjacke seiner Funktion, schließlich Kriege verteidigen mußte. Eigentlich eine groteske Situation, die jedoch vorallem eines zum Ausdruck bringt: Hoffnung, die sich in Hilflosigkeit auflöst.
Gemessen an der Größe der Hoffnungen, die in Obama gesetzt wurden, muß er grandios scheitern. Nur ist seine Person dabei gar nicht so wichtig. Wichtiger ist, daß mit ihm der Glauben an Veränderlichkeit noch einmal ein Stückchen mehr verblaßt. Natürlich geht die Politik letztlich nicht an mangelnder Glaubwürdigkeit kaputt. Der Verlust der Glaubwürdigkeit ist selbst nur ein Symptom. Aber ein Symptom, das uns helfen kann etwas zu erkennen: Wir sehen wie bewußte und unmittelbare menschliche Einflußmöglichkeiten auf dem Wege der Politik immer geringer werden. In unserer westlichen Welt brechen soziale Sicherungssysteme weg, in anderen Teilen der Welt ganze Staaten. Übrig bleibt oft nackter Überlebenskampf, denn eines bleibt bestehen: die Konkurrenz um die lebensnotwendigen Ressourcen. Wir sehen, wie regelnde Strukturen alternativlos wegbrechen, bekommen Angst und hoffen auf die Strukturen die wir noch haben, hoffen also doch wieder auf die Politik, hoffen z.B. auf den Klimagipfel. Sicher, viele hoffen nicht einfach nur ins Blaue der Politik. Viele versuchen selbst aktiv zu werden, versuchen Verantwortung als Konsumenten wahrzunehmen. Dabei wird manchen klar, daß auch ein verändertes Konsumverhalten nur in großen Organisationsstrukturen wirksam werden kann. Aber auch das greift letztlich nicht nur zu kurz, sondern daneben. Solange wir über Konsum, Kauf und Verkauf und industrielle Produktion reden, solange ist der Raubbau inklusive, auch mit Ökosiegel und Fair-Trade-Button.

Hagen
17.12.2009

Kommentare

  1. das ist ja mal ein kommentar, von dessen art und weise und überhaupt es mehr geben sollte.

    anmerkungen finden sich dennoch.

    weiß nicht, ob ich ein 'hartgesottenster Kaptalismuskritiker' bin, aber dem charme eines barack obama konnte ich mich entziehen bzw. hatte diesbezüglich nie ein entziehungsproblem.

    Aber mein eigentliches problem ist die formelierung:

    'Wir sehen wie bewußte und unmittelbare menschliche Einflußmöglichkeiten auf dem Wege der Politik immer geringer werden.'

    ich denke, sie werden nicht geringer. es gab sie noch nie. und das zerschmettern dieser illusion wäre für mich (allein?) das i-tüpfelchen.

    naja, als jemand, der diesbezüglich kaum unterwegs ist, will ich gar nicht meckern, sondern einfach sagen:

    danke!

    SEÑOR MOLINERO - 18.12.2009, 02:12