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"Vielleicht sind wir anarchistischer, als wir meinen sollten." Andreas Gehrlach über den Menschen als taschentragendes Wesen.

Der Mensch trägt ständig "Zeugs" mit sich herum, so der Berliner Kulturwissenschaftler Andreas Gehrlach. Wir verstecken unsere intimsten Dinge, Gegenstände und Gedanken in Handtaschen, Holzkistchen, Seemannstruhen und Schuhkartons. Diese privaten Orte, von Gehrlach "Individualräume" genannt, sind für totalitäre Staaten und Institutionen der Herrschaft oftmals ein Problem. Die Dinge in ihrem Inneren entziehen sich jeglicher kollektiver Beschreibung, sie sind aufs Engste an ihre Besitzer*innen gebunden.

Individualräume stellen unsere traditionellen kapitalistischen Eigentumsvorstellungen in Frage, außerdem bieten sie einen Rückzugsort, der sich jedem Zugriff verwahrt. So ist es nicht verwunderlich, dass Staaten immer intensiver versuchen, Kontrolle über jene Taschen, Kisten und Räume zu erlangen.

Andreas Gehrlach, der auch an der Neuausgabe von Pierre Clastres Klassiker "la société contre l'état" mitgearbeitet hat, erklärt, was dieser anarchistische Ethnologe im Amazonas beobachtete. Gesellschaften unterliegen nicht zwangsläufig hierarchischen Machtstrukturen, mitunter existieren komplexe Strategien, um gerade diese Anhäufung von Macht zu verhindern. Und auch für unsere Gesellschaft lässt sich sagen: vielleicht sind wir anarchistischer, als wir meinen sollten.


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Das Ferngespräch
13.07.2020

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