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"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Staatsschulden

Wie jeder normale Mensch oder jedes Unternehmen deckt auch der Staat einen Teil seines Finanzhaushaltes mit Krediten ab, sei es zur Tätigung von Investitionen oder zur Deckung des Defizits bei den laufenden Ausgaben. Solche Kredite werden in Staatsschulden umgewandelt und bilden einen festen Bestandteil des Haushaltes.

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Die Vereinigten Staaten haben mit den Zöllen einen solchen Ansatz gefunden; allerdings wies letzte Woche ein Bundes-Appellationsgericht den Präsidenten in seine Schranken und hob den Großteil der Zölle auf, weil sie unter Missachtung der Gesetze und in flagranter Kompetenzüberschreitung erlassen wurden. Hier steuern wir auf einen Moment der Erkenntnis zu, indem sich nun der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten mit der Frage befassen muss. Dieser ist in der Mehrheit mit Republikanerinnen besetzt, die zum Teil von Trump selber bestellt wurden und sich nicht mit besonderer Kritik an der Lastwagenhupe hervorgetan haben. Trotzdem haben sie alle eine Ausbildung und eine Laufbahn als Juristinnen hinter sich, und die Zollfrage ist ja nur die erste von einer ganzen Reihe weiterer eigenmächtiger Entscheide der Lastwagenhupe, die recht offen geltendes Recht in den Vereinigten Staaten brechen. Irgendwann muss sich, mit anderen Worten, der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten grundsätzlich entscheiden, ob das Gesetz, bestehend aus der Verfassung und den darunter bestehenden Regelwerken auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene, den Vorrang hat in diesem Land oder ein herum trötender Wrestler, über dessen rationale und mentale Verfassung niemand auch nur den Hauch eines Kommentars verfassen sollte. Mit anderen Worten: Soweit ich das einschätzen kann, ist die Frage, ob die Lastwagenhupe eigenmächtig Zölle aller Arten und Güten erlassen kann, die erste Frage, in welcher das Oberste Gericht diese Grundsatzfrage klären muss: Trump oder Verfassung? Auf diesen Moment warte ich mit einer gewissen Spannung. Vielleicht fällt den Richterinnen ja eine Ausrede ein.

Jedenfalls haben die Vereinigten Staaten bisher die Schuldenfrage einfach vor sich her geschoben, weil sie es halt können; auch die zusätzlichen Zolleinnahmen werden daran nicht viel ändern. Im Moment steht die Staatsschuldenquote in den USA bei 123 Prozent, also höher als in Frankreich, und jeweils im Herbst pflegt das Parlament in einem eigenartigen Ritual der Anhebung der Schuldenobergrenze zuzustimmen. Mit dem Großen Herrlichen Gesetz der Lastwagenhupe von diesem Jahr steigt die Staatsschuldenquote laut Prognosen bis in zehn Jahren auf 143 Prozent des Brutto­inland­pro­dukts; im Vergleich zur Zunahme um 20% in den letzten 5 Jahren möchte man das dann wieder als geradezu moderat bezeichnen, wie gesagt: Zölle hin oder her.

Auch Deutschland muss sparen, übrigens wie alle anderen Länder bei gleichzeitiger Erhöhung der Rüstungsausgaben, was die Situation zusätzlich pikant macht. Jedenfalls befinden wir uns bereits jetzt in der klassischen Auseinandersetzung zwischen den traditionellen Parteien; die SPD will die Sozialausgaben schützen, die CDU/CSU will dort Einsparungen machen. Grundsätzlich und im Rahmen der bestehenden kapitalistischen Wirtschaftsordnung müsste die politische Priorität bei der Modernisierung der Produktionsstrukturen liegen, konkret beim Umbau der Wirtschaft in Richtung Elektromobilität, Digitalwirtschaft und Umweltfreundlichkeit, wobei hier die Gegnerinnen während der ziemlich katastrophalen Ampel-Kakophonie den Volkszorn genau gegen diesen Umbau ordentlich angeheizt haben, an vorderster Front der bayrische Ministerpräsident. Sogar die soziale Komponente fehlt nicht bei der Rechtsfront, nämlich heißt es oft, dass die Flugpreise nicht steigen dürften, weil sich sonst die Ärmsten der Armen keine Ferien mehr auf Mallorca leisten könnten. Das habe ich immer für eine sehr lustige Definition von Armut gehalten. Als Begründung dafür, den Luftverkehr nicht endlich einmal auch mit mindestens den Treibstoffsteuern zu belegen wie alle anderen Sektoren, ist das ebenfalls ausgesprochen exotisch, wenn die gleichen Leute, die Mitgefühl mit den Ärmsten der Armen haben, ihnen handkehrum das Bürgergeld zusammen streichen wollen. Aber das sind nur Marotten der Geschichte und Leute wie Markus Söder oder die Santscha Pantscha einfach Handpuppen aus dem Kasperletheater der Politik.

Daneben geht es nicht nur ums Sparen, sondern auch darum, die Einnahmen vernünftig auszugeben, das heißt so, dass sie möglichst den Effekt erzielen, der beabsichtigt war. Hier denkt jede Zeit­ge­nos­sin automatisch an die Infrastrukturen, nicht nur an das Schienennetz der Deutschen Bahn, sondern auch an alles andere; man denkt an die mangelnden Geldmittel für die Kommunen, man denkt an die Schulen, kurz an all das, was in den letzten Jahren häufig angemahnt wurde. Wie man solche Aufgaben effizient anpackt, das lässt sich nicht an einem Wahlprogramm ablesen; das hängt fast ausschließlich davon ab, dass man an den richtigen Positionen gutes Personal hat. Das kann ich von meinen Berggipfeln herab nicht so richtig beurteilen, ich kann nur die Beobachtung teilen, dass dies in den letzten Jahren oft nicht der Fall war.

Insofern ist die Staatsverschuldung auch der Ausdruck eines mangelhaften Staatsverständnisses, der Ausdruck davon, dass sich die moderne Gesellschaft darauf kapriziert hat, den Staat zu betreiben wie einen Börsenring, in dem die einzelnen Interessenvertreter immer wieder ihre Ansprüche hinein brüllen, und am Schluss erhält der lauteste den Zuschlag; dagegen gibt es weder einen Marktplatz noch eine kompetente Öffentlichkeit für die Qualität der Ausführung der anstehenden Arbeiten. Leider ist die Kontrolle dieser Qualität oft ihrerseits so angelegt, dass die Kontrolleurinnen am Schluss mehr kosten als jene Summen, die für die Erledigung der Arbeiten zur Verfügung stehen. Hier müsste eine Akademie für höchste Standards in der Ausführung staatlicher Aufgaben ein­ge­richtet werden. Könntet ihr so etwas nicht in Erfurt an eurer Universität mal ausprobieren? Die Aufgabe ist gewaltig, aber eben auch notwendig. Ihr könntet dabei ruhig Anleihen machen beim Genfer Hochschulinstitut für die öffentlichen Verwaltungen, dessen Ausstoß zwar nicht besonders hoch ist, das aber doch immer wieder angefragt und mit Untersuchungen beauftragt wird.

Dass die Modernisierung daneben vor allem in den Köpfen stattfinden muss, sehen wir daran, dass in den Köpfen gerade das Gegenteil davon zu beobachten ist. Eben, die Aufgabe ist gewaltig; anderseits gilt nach wie vor der Grundsatz, dass die Zeiten mit den Problemen, welche sie produzieren, in der Regel aus Lösungsansätze dazu produzieren.

Daneben können wir uns an exotischen Geschichten erfreuen wie an jener vom Geschlechtswandel des Rechtsextremisten Sven Liebich, der vor einem Jahr von den Männern zu den Frauen übergetreten ist. Das hätte ich einem, der wegen Volksverhetzung und dergleichen zu einer Gefängnisstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt wurde, schlicht und einfach nicht zugetraut. Dass man einen derart spielerischen Umgang findet mit jenem Woke- und Genderwahn, den man jeweils mit Schaum vor dem Mund kritisiert, das finde ich nun wirklich oberdrollig. Maria Svenja Liebich nennt er sich und hat unter dem Schnauz die Lippen rot angestrichen und versendet Plakate mit der Aufschrift «Liebesgrüße aus Moskau» auf seinem Telegram-Kanal. Wenn das so weiter geht, kann man gespannt sein, welche Vertreterinnen die Allianz für Deutschland bei den nächsten Wahlen ins Rennen schickt.


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Albert Jörimann
02.09.

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