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"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Andrew Johnson
Alle wissen, dass alles mit allem zusammenhängt, der Satz ist bekannt vom Schmetterling, dessen Flügelschlag im Himalaja einen Orkan im Ostpazifik auslöst. Da nun alles mit allem zusammenhängt, möchte man gerne mal den Schmetterling kennenlernen, dessen Flügelschlag oder vielleicht auch nur saures Aufstoßen zu einem solchen Klatsch wie dem aktuellen Präsidenten der Vereinigten Staaten geführt hat. Diesem Schmetterling möchte ich gerne mal meine Meinung geigen.

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Er kann zwar selber nichts dafür, aber er hätte sich mal besser etwas in acht genommen. Immerhin ist die Lastwagenhupe nicht die erste Erscheinung ihrer Art in diesem Amt. Die Wikipedia schreibt zum Beispiel zu Rutherford B. Hayes, der von 1876 bis 1880 Präsident war: «Die Präsidentschaftswahlen von 1876 waren von erheblichen Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet. Erstmals gewann ein Kandidat zwar die meisten Stimmen im Electoral College, nicht jedoch die der Bevölkerungsmehrheit.» Und weiter: «Seine Amtszeit wird oft als Beginn des Gilded Age gesehen, einer äußerlich glanzvollen, aber von weit verbreiteter Korruption gekennzeichneten Periode des wirtschaftlichen Aufschwungs im letzten Viertel des 19. Jahrhunderte.» Zu seinem Nachfolger James A. Garfield heißt es: «Er wollte die Erneuerung des korrumpierten Staates, was ihm jedoch zum Verhängnis wurde. Nachdem er dem Geisteskranken Charles J. Guiteau eine Regierungsstelle verweigert hatte, schoss dieser auf den Präsidenten, der seinen Verletzungen zweieinhalb Monate später erlag.» Präsident William McKinley eroberte im spanisch-amerikanischen Krieg die spanischen Kolonien in der Karibik und auf den Philippinen und annektierte Hawaii; weiter heißt es in der Wikipedia: «Er erhöhte die Schutzzölle und betrieb eine Politik, die auf der Laissez-faire-Theorie beruhte. Ein halbes Jahr nach Beginn der zweiten Amtszeit wurde er von Leon Czolgosz erschossen.» Ein authentischer Vorgänger der Lastwagenhupe war offenbar beziehungsweise gemäß einem Artikel in der Zeitung «Welt» der Nachfolger von Abraham Lincoln, Andrew Johnson. Der Artikel zitiert einen Kritiker Johnsons mit folgenden Worten: «Der Präsident der Vereinigten Staaten hat eine einmalige Kombination von Mängeln. (…) Sowohl unehrlich als auch hartnäckig, sowohl verschlagen als auch unvernünftig, sowohl eitel als auch schlecht gelaunt, sowohl hungrig nach Popularität als auch willkürlich in seiner Veranlagung, von wankelmütigem Sinn und festem Willen, vereint er in seinem Charakter die scheinbar entgegengesetzten Eigenschaften des Demagogen und des Autokraten.» Gegen ihn lief auch das erste Amtsenthebungsverfahren der US-Geschichte, das er dank der Mehrheit von nur gerade einer Stimme überstand. Immerhin wurde er dann nicht wiedergewählt. Von ihm ist auch nicht überliefert, dass er sich schamlos für alle möglichen Wohltaten von den Nutznießern bezahlen ließ. Die Geschichte wird aber wie über Johnson auch über die Lastwagenhupe hinweg schreiten.
Von größerer Bedeutung ist zweifellos die Aufregung rund um die künstliche Intelligenz respektive die Ankündigung von Billionen-Investitionen in die Infrastruktur, vor allem für Datenspeicher- und -verarbeitungszentren. Eine neue Generation von Chips hat die kostengünstige Verarbeitung von um Potenzen höheren Datenmengen möglich gemacht, was eben als Künstliche Intelligenz auf der ganzen Welt diskutiert wird. Im Alltag zeigt sich diese Entwicklung als recht praktische Ausweitung der Suchmaschinen um Schreib- und Grafikdienste, und zwar in erheblicher Geschwindigkeit, von welchen auch die Normalbürgerinnen profitieren, in erster Linie die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Mitglieder von Schützenvereinen werden plötzlich zu ausgezeichneten Verfasserinnen von Nachrufen für verstorbene Mitglieder. Die Sprachfähigkeiten sind in die Rechner geschlüpft, bei den echten Menschen braucht es die nur noch an wenigen Orten. Das ist zunächst einmal einfach verblüffend; welche neuen sozialen Ordnungen in diesem Unterbereich daraus hervorgehen, ist kaum abzuschätzen. Für die Schweiz, die sich oft ihrer Mehrsprachigkeit rühmt, kann ich sagen, dass vor allem im deutschsprachigen Raum die Widerstände gegen das Französisch deutlich zugenommen haben, da man Französisch ja mit DeepL übersetzen und mit dem Google Translator sprechen kann, während Englisch zweifellos in ähnlichem Ausmaß in die deutsche Sprache einmarschiert ist wie vor zweihundertfünfzig Jahren das Französische. Hier, also in der Schweiz, besteht neben der Anwendungsfrage der KI-Sprachdienste auch noch eine politische Frage, die aber noch nicht in voller Blüte zum Ausdruck gekommen ist. Jedenfalls sehen skeptische Menschen die zunehmende Kommunikation auf Englisch zwischen den Landesteilen nicht mit reiner Freude. So ein bisschen Italienisch und Französisch täte auch den Innerschweizer Stierenköpfen gut, welche in letzter Zeit die meiste Energie darauf verwendet haben, ihre Kernschweiz zum Hort des Rechtsnationalismus zu machen, zum einen, zu einem Steuerparadies für Steuerflüchtlinge aus der ganzen Welt zum anderen. Das passt sehr gut zusammen, offenbar.
Steuerflucht ist in der freien Welt eine beliebte Option für reiche Mitmenschen. Normalbürgerinnen geben je nach Berechnung um die 20 Prozent ihrer Einkommen an den Staat ab, sobald jemand aber eine Million im Jahr verdient, muss der Steuersatz dringend auf unter 10 Prozent sinken. Das leuchtet jedem vernünftigen Menschen ein. Also verlegt man seinen Steuersitz zum Beispiel an den Wohnsitz von Alice Weidel, also nach Einsiedeln und lässt sich dort pauschal besteuern. Wie vor einer Woche erwähnt, wohnt einer der reichsten Deutschen, Klaus-Michael Kühne, in einer Nachbargemeinde von Einsiedeln. Frankreich ächzt unter seinen Schulden, aber die im Besitz der französischen Kapitalistenklasse befindliche Politik tut alles, um auch nur eine gelinde Mehrbesteuerung der reichen Säcke abzuschmettern. Dabei sind die Staaten selber eigentlich gar nicht das Problem, denn bis ein Staat Konkurs geht, dauert es dann doch noch ein Weilchen; das Problem ist, dass die Privatvermögen unterdessen derart groß geworden sind, dass kein Schwein mehr versteht, wie man damit umgehen kann. Besteuern ist das eine, aber der reine Umgang mit 500 Milliarden US-Dollar ist so etwas wie die Verwaltung eines Kleinstaates. Mit solchen Geldsummen kann nur ein Geistesgestörter irgendwelchen Schaden anrichten; der Rest muss sich darum kümmern, dass die Milliarden weitere Milliarden erzeugen, dass sie also in Bereichen eingesetzt werden, wo schöne Wertsteigerungen winken. Mit der Realität eines normalen Individuums hat das nichts mehr zu tun. Die Milliardengeschenke der Saudiarabier an die Lastwagenhupe sind Trinkgelder, mehr nicht. Umgekehrt zeigen gerade die Saudis, dass auch Milliardenvermögen an Grenzen stoßen, wenn man sie zum Beispiel in den Sand setzt mit dem famosen Bauprojekt Die Linie, das ich übrigens früher schon gelobt habe, das ich auch hier wieder lobe und das ich nicht aufhören werde zu loben; tatsächlich eröffnen die Fantastrillionen einzelnen Menschen auch Möglichkeiten zur Gestaltung von was auch immer, welche andere Menschen nicht haben. Kürzlich habe ich von einem Hotelprojekt gelesen auf einer Insel vor Neufundland, mit welchem die Investorin etwas gegen die endemische Abwanderung von der Insel tun will. Warum denn nicht. Stünden solche Milliardensummen im Rahmen einer demokratischen Struktur zur Verfügung, so würden damit niemals im Leben solche Ideen realisiert; stattdessen würde man sie nach Maßgabe der politischen Stärke unter die verschiedenen Lobbies verteilen, einschließlich der Gewerkschaften und Umweltschutzverbände, und realisiert würde vielleicht irgendwo ein kleines Museum für zeitgenössische Kunst, in welchem Bilder angekauft werden, die vielleicht auch einmal eine Wertsteigerung erfahren. Nein, in dieser Beziehung muss man skeptisch sein; und diese Skepsis erstreckt sich ganz zu Recht auch auf den normalen, zeitgenössischen bürgerlichen Staat, dessen Finanzmittel man durchaus nicht ohne Vorbehalte ausdehnen sollte.
Was ja nicht heißt, dass man ihn direkt in den Konkurs treiben muss, wie dies die französischen Superreichen im Moment gerade postulieren. Wirklich geschehen wird das natürlich nicht, das ist nur die Rahmenmusik für ein politisches Projekt, dem man noch nicht einmal einen Namen gegeben hat, da wir uns in der Politik immer nur mit Begriffen aus der Vergangenheit herum plagen. Die führen in der modernen Welt nicht weiter, eben, nicht zuletzt angesichts von derartigen Supervermögen wie jene in den Vereinigten Staaten.
Dass die Datenzentren-Blase übrigens bei Gelegenheit einmal platzen wird, darüber herrscht Einigkeit, aber es herrscht keine Einigkeit darüber, in welcher Form dies geschehen wird. So, wie es im Moment aussieht, wäre nur eine recht beschränkte Gruppe von Menschen beziehungsweise von Wirtschaftsakteuren direkt betroffen. Am wahrscheinlichsten ist es, dass das Platzen der Computer-Blase stattfindet, indem die anderen Werte, jene aus der real produzierenden Wirtschaft, einen Sprung nach oben tun werden, während die Bewertungen von Amazon, Google, Apple und Konsorten mehr oder weniger auf ihrem bisherigen Stand verharren und etwas zulegen oder etwas nachgeben. Für einen richtigen Kollaps sind die zu groß, einmal abgesehen davon, dass Amazon und Apple ein starkes Bein in der Realwirtschaft haben, während Google dabei ist, ihre Datenmaschinen in einen Bestandteil dieser Realwirtschaft zu transformieren. Ob der Hype um Elon Musks Elektroautos und Robotaxis anhält, kann man nicht sagen; ebensowenig belastbare Informationen habe ich zur Entwicklung der Raumfahrtindustrie, deren wichtigster Nutzen bisher im Aufbau der Satellitennetze lag. Da kann schon noch etwas gehen, aber so etwas kann auch gehen bei deutlich niedrigeren Bewertungen der Unternehmen, welche hier vorgeprescht sind.
Es gibt im Moment sehr vieles, was man bei aller künstlichen Intelligenz nicht weiß und vielleicht auch nicht zu wissen braucht. Unter anderem betrifft dies die Politik, wo es sich unterdessen gehört, dass man fast schon ehrfürchtig die Aktivitäten der Allianz für Deutschland auf Tiktok und Instagram und anderen Kanälen verfolgt und davon ausgeht, dass sich die verkorkste Dummheit in Form des Rechtsnationalismus zunehmend in den Köpfen ausbreitet und festsetzt, was man ja auch in anderen Ländern beobachtet. Dagegen hilft nur eines, seit eh und je und immer wieder: die Vernunft. Wie viele andere hoffe ich, dass sich die Vernunft möglichst bald wieder von den Universitäten aus ins Land begibt, dass sich neue Bewegungen von Studierenden formieren, welche nicht allzu viele Dummheiten erlaubt mit der Einräumung von Polizeibefugnissen für junge Leute, welche hinter jeder Biegung eines Buchstabens einen Verstoß gegen Rassismus- und Gender-Strafnormen wittern. Von diesen Parteigängerinnen muss sich die Vernunft ebenso radikal distanzieren wie von den anderen, bei denen nicht nur die intelligente Arbeit, sondern auch ihre Stoßrichtung unter jeder Sau bleibt.
Hier findest du alle Kolumnen von Albert Jörimann von 2007 bis heute.
Albert Jörimann
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